Süddeutsche Zeitung

Flughafen Frankfurt:Rivalen der Startbahn

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Fraport-Chef Schulte ist trotz wachsender Konkurrenz für liberale Verkehrsrechtsabkommen. Und er setzt auf Investitionen im Ausland, trotz der schwierigen Lage in der Türkei und Russland.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Von seinem Bürofenster aus schaut Stefan Schulte auf eine Baustelle. Mal wieder. Die Bahn, die am Frankfurter Flughafen Passagiere zwischen den beiden Terminals befördert, bekommt eine neue Haltestelle. Umsteiger müssen damit künftig nicht mehr so weit laufen von einem Ende des Airports zum anderen. Der Vorstandschef des Flughafenbetreibers Fraport könnte also, wenn er Langeweile hätte, die Bauarbeiten stets genau im Blick behalten.

Langeweile aber dürfte so ziemlich das Letzte sein, worüber Schulte klagt. Der Frankfurter Flughafen, Kern des Fraport-Reiches, wächst zwar, aber er wächst langsam und er muss sich mit der neuen Konkurrenz aus Dubai oder Istanbul herumplagen. Das liegt auch daran, dass die Lufthansa als größter Fraport-Kunde beschlossen hat, so lange keine zusätzlichen Kapazität anzubieten, bis sie nennenswerte Einsparungen bei den Mitarbeitern durchgesetzt hat. Und die internationalen Beteiligen von Fraport sind derzeit besonders häufig von den vielen Krisen weltweit betroffen. "Es gibt geopolitisch Gegenwind, das ist so", sagt Schulte.

Am Haupt- und Heimatstandort hat sich für Fraport zwar einiges Positive getan, vielleicht am wichtigsten: Seit es die vierte Start- und Landebahn gibt, sind die chronischen Verspätungen in Frankfurt vorerst Vergangenheit. Auch das Bahnsystem wird deutlich unter der Kapazitätsgrenze betrieben, außerdem ist es viel zuverlässiger als früher. "Wir haben strategisch gesehen in den letzten Jahren große Schritte nach vorne gemacht, davon profitieren wir jetzt", sagt Schulte.

Ein Problem hat er allerdings nach wie vor mit den beiden Terminals: Obwohl die Zahl der Passagiere am Airport wegen der ständigen Lufthansa-Streiks im vergangenen Jahr nur um 2,5 Prozent auf etwa 61 Millionen stieg, bleiben sie ein Engpass. Daran wird sich nichts ändern, bis das dritte Abfertigungsgebäude fertig ist. Die Bagger und Lastwagen rollen schon auf der anderen Seite der beiden parallelen Start- und Landebahnen. Sind die Arbeiten beendet, sollen dort, im neuen Terminal 3 einmal 14 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden. Rechnerisch stiege die Kapazität des Flughafens damit von 68 auf 82 Millionen Passagiere.

Für europäische Verhältnisse ist das sehr viel - aber die Maßstäbe verschieben sich. Dubai baut gerade seinen bestehenden Flughafen für 100 Millionen Passagiere aus, gleich daneben entsteht der "World Central Airport" mit noch viel mehr Platz. Und in Istanbul lässt die türkische Regierung gerade ein neues Drehkreuz mit ähnlichen Dimensionen für die halbstaatliche Turkish Airlines bauen.

Wenn die Türkei ein russisches Kampfflugzeug abschießt, hat das Auswirkungen auf Fraport

Hitzige Debatten drehen sich deshalb gerade darum, wie mit dieser Konkurrenz umzugehen ist. Die Bundesregierung tendiert dazu, neue Verkehrsrechte für Fluggesellschaften aus der Golfregion an Bedingungen zum fairen Wettbewerb zu knüpfen. Ziel ist es, angebliche Subventionen einzudämmen. Doch Schulte hält das für kaum machbar: "Man kann Märkte nicht dauerhaft abschotten", sagt er. "Grundsätzlich sind wir mit möglichst liberalen Luftverkehrsabkommen gut beraten." Er verstehe zwar den Wunsch nach fairem Wettbewerb und halte ihn für richtig. Es gehe aber vor allem darum festzulegen, was marktkonform ist. Zwar profitiert Fraport davon, wenn Emirates, Etihad oder Qatar Airways mehr Flüge nach Frankfurt anbieten oder größere Flugzeuge einsetzen. Zugleich ziehen sie aber auch von vielen anderen Zielen in Europa Umsteiger auf ihre Drehkreuze ab, die früher über Frankfurt geflogen sind.

Zugleich setzt Fraport wie wenige andere Flughafenbetreiber auf internationale Expansion. Das liefert Erfolgsgeschichten wie die Beteiligung am Flughafen von Lima in Peru. Doch die vielen politischen Konflikte weltweit und die wirtschaftlichen Turbulenzen haben Fraport zuletzt kalt erwischt. "Die Lage in der Türkei wird Folgen für die Verkehrsentwicklung am Flughafen Antalya und damit auch für unser Finanzergebnis haben", sagt Schulte beispielsweise. Mehr als ein Viertel der Passagiere an dem von Fraport betriebenen Flughafen waren im vergangenen Jahr Russen. Seitdem das türkische Militär an der Grenze zum syrischen Bürgerkriegsgebiet ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hat, ist dieses Geschäft aber zum großen Teil weggebrochen.

Und Antalya ist nicht Fraports einziger Problemfall. Der Verkehr ist auch in Sankt Petersburg rückläufig, wo die Rezession in Russland und der Einbruch des Rubel die Nachfrage drücken. Schulte hofft zwar, dass das Schlimmste inzwischen vorüber ist - aber auch wenn die Talsohle durchschritten zu sein scheint, werde sich die Lage " nicht kurzfristig drehen". In Griechenland verzögert zugleich eine Klage die Übernahme von 14 Regionalflughäfen, Schulte ist dennoch optimistisch, was das Geschäft angeht.

Trotzdem orientiert sich Fraport derzeit in andere Regionen: Womöglich könnte sich der Konzern in Brasilien um die Privatisierung der Flughäfen von Fortaleza, Porto Alegre, Florianopolis und Salvador de Bahia bewerben. Zudem will sich Fraport in den USA an zwei bisher nicht-öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, bei denen es darum geht, große Flughafenterminals zu betreiben.

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SZ vom 30.01.2016
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