Süddeutsche Zeitung

Finanztransaktionssteuer:Neue Hoffnung für die Börsen-Abgabe

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Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es sah schon alles nach einem dieser typisch europäischen Formelkompromisse aus, bei denen die Beteiligten ihr Gesicht wahren können, der Konflikt aber ungelöst bleibt. Urplötzlich jedoch kommt in die jahrelangen Verhandlungen über die Einführung einer Finanztransaktionsteuer (FTT), auch Börsensteuer genannt, Bewegung: Am 27. Januar wollen die Finanzminister jener elf Länder, die sich zur FTT bekennen, in Brüssel zu einer Gesprächsrunde zusammenkommen. Und anders als bei den letzten Treffen stehen die Chancen auf einen Durchbruch nicht schlecht.

Grund ist ein Kurswechsel des französischen Staatspräsidenten François Hollande, der in der Öffentlichkeit bisher kaum registriert wurde. Hollande hatte vergangene Woche in Paris erklärt, Frankreich sei zu einer Steuer mit "breitestmöglicher Bemessungsgrundlage" bereit. Das ist neu, denn bisher wollte er die FTT im Wesentlichen auf den Aktienhandel beschränken und riskante Termin- und Optionsgeschäfte, für die Paris ein großer Handelsplatz ist, außen vor lassen. Damit jedoch stieß er auf den Widerstand der Italiener. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte beide Seiten mehrmals zu einer Übereinkunft aufgefordert und signalisiert, dass Deutschland jeden gefundenen Kompromiss mittragen werde. Das wiederum hatte in der SPD die Furcht vor einer untauglichen Minimallösung genährt.

"Gedämpfter Optimismus" im Finanzministerium

In Schäubles Haus hat man Hollandes jüngste Aussagen nun "mit Interesse" und "gedämpftem Optimismus" registriert. Auch die SPD ist erfreut: "Die neuen Signale aus Frankreich bewerte ich ausdrücklich positiv", sagte Vizefraktionschef Carsten Schneider und verwies auf die jüngste Initiative der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten zur Wiederbelebung der Gespräche. Allerdings sieht der Finanzexperte neben Franzosen und Italienern nun auch Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Pflicht: Beide müssten ihr "gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen und eine aktivere Rolle einnehmen, um endlich einen Durchbruch zu erreichen". Schließlich hätten sich die Verhandlungen vom einst umfassenden Ansatz der EU-Kommission mit breiter Bemessungsgrundlage weit entfernt. "Die ursprünglichen Ziele der Einführung der Steuer waren die Eindämmung von Spekulationsblasen und des Hochfrequenzhandels sowie eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise", erinnerte Schneider.

Die FTT ist für Mitte-links-Politiker Symbol für ein aus ihrer Sicht gerechteres und stabileres Steuer- und Finanzsystem. Bemühungen, sie auf G-20- oder EU-Ebene einzuführen, scheiterten am Widerstand von Ländern mit starken Finanzplätzen, so den USA und Großbritannien. Die Staaten, die nun vorangehen wollen, sind Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Estland, Spanien, Griechenland, Portugal, Slowenien und die Slowakei.

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SZ vom 12.01.2015
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