Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Im Dienste der EZB

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Die Deutsche Bank wickelt seit Jahren für Europas Notenbanker sogenannte Wertpapierleihgeschäfte ab. Doch die sind umstritten, weil Spekulanten davon profitieren können.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Auch mächtige Währungshüter brauchen manchmal Hilfe. So suchte die Europäische Zentralbank 2015 einen Spezialisten, der die Wertpapierleihgeschäfte im Auftrag der Notenbank übernimmt. Es gibt für diese Dienstleistung viele internationale Anbieter, deren Namen wohl nur Finanzexperten ein Begriff sind. Doch jenes Institut, das die EZB bis zum heutigen Tag für diese Aufgabe angeheuert hat, kennt die ganze Welt: Es ist die Deutsche Bank.

Das Institut wies 2015 einen Milliardenverlust aus, auch wegen der hohen Geldstrafen für viele Vergehen an den Finanzmärkten. Die EZB-Bankenaufsicht warf damals und wirft bis heute ein waches Auge auf die Deutsche Bank, die sich wirtschaftlich nur sehr langsam erholt. Zuletzt geißelte die US-Bankenaufsicht der Federal Reserve New York die vielen Mängel des Instituts, beispielsweise bei der Geldwäschebekämpfung. Die EZB-Aufsichtstruppe für die Deutsche Bank besteht aus rund 80 Experten. Kein anderes europäisches Geldhaus bindet bei der Behörde so viel Kapazität. Schließlich gehört das größte deutsche Kreditinstitut - geriete es in Schieflage - zu den wohl gefährlichsten Banken der Welt.

Aber spielt die EZB mit ihrem Ruf, wenn sie ausgerechnet die Deutsche Bank verpflichtet hat? "Die EZB prüft alle ihre Dienstleister regelmäßig auf mögliche Quellen von Reputationsrisiken", so die Antwort der Notenbank. Man sei mit den von der Deutschen Bank erbrachten Dienstleistungen "sehr zufrieden".

Eine Rotation, also eine Neuausschreibung des Auftrags, sei auch nach fünf Jahren nicht geplant. Die EZB führe regelmäßig interne Überprüfungen durch, die bisher keinen Grund für die Durchführung eines neuen Wettbewerbsverfahrens ergeben hätten.

"Es leuchtet mir nicht ein, warum die EZB die Wertpapierleihe nicht selbst durchführen kann", sagt Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke. Selbst wenn die EZB damit operative Kosten senken wolle, müssten Interessenkonflikte zwischen Bankenaufsicht und Geldpolitik vermieden werden.

Die Experten der Deutschen Bank sorgen für die Abwicklung der Massengeschäfte

Das Problem des Interessenkonflikts ist schon lange bekannt. Große internationale Beratungsfirmen, die für die Bankenaufsicht der EZB arbeiten, beraten häufig auch die beaufsichtigten Kreditinstitute. Sie erfahren als Diener zweier Herren viele Interna, auch wenn alle Beteiligten beteuern, es würden Brandmauern zwischen den Teams gezogen. So hat die weltgrößte Investmentfirma Blackrock die EZB-Aufsicht bei der Entwicklung der Banken-Stresstests unterstützt, was vor ein paar Jahren für Wirbel sorgte. In ihrem Antwortschreiben an das Europäische Parlament im Jahr 2018 verteidigte die damalige Chefin der Behörde, Danièle Nouy, die Auftragsvergabe an Blackrock damit, dass die Notenbank stets sorgfältig abwäge, um alle Risiken, auch jeden potenziellen Interessenkonflikt, bestmöglich zu verringern.

Der Auftrag an die Deutsche Bank geht auf das billionenschwere Anleihekaufprogramm der EZB zurück, das seit 2015 auf rund 2,7 Billionen Euro gewachsen ist. Die Notenbank beschloss damals, einen Teil der erworbenen Wertpapiere zu verleihen, um den Markt "liquide" zu halten, sprich für Umsatz zu sorgen. Investoren, die sich Schuldscheine borgen, müssen dafür eine Gebühr an die EZB entrichten. Die Experten der Deutschen Bank sorgen für die Abwicklung der Massengeschäfte - nach Vorgaben der Notenbank.

Die Wertpapierleihe ist politisch umstritten. Spekulanten können auf fallende Kurse wetten, indem sie sich beispielsweise italienische Staatsanleihen bei der EZB leihen und diese Papiere verkaufen, um am Markt einen Preisdruck auszulösen. Im besten Fall könnten die Spekulanten das Wertpapier zum Rückgabetermin günstiger zurückkaufen und einen Gewinn vereinnahmen. Diese "Leerverkäufe" sorgten 2011 für eine Zuspitzung der Euro-Staatsschuldenkrise.

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SZ vom 29.05.2020
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