Süddeutsche Zeitung

Euro-Zone:Lieber nicht so viel sparen

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Deutsche Volkswirte untersuchen die Folgen des Sparens für klamme Länder im Währungsgebiet.

Von Björn Finke, Brüssel

Stabil ist der Stabilitätspakt selbst nicht gerade: In den vergangenen Jahren ist das Regelwerk gleich mehrfach angepasst worden, und 2020 könnte bereits die nächste Reform anstehen. Die EU-Kommission wird im Januar Ergebnisse ihrer Untersuchung zu Stärken und Schwächen des Stabilitäts- und Wachstumspakts präsentieren; das könnte in weitere Änderungsvorschläge für die Regeln münden, die eine solide Haushaltsführung in den Staaten mit der Euro-Währung sicherstellen sollen. Zwischen den Regierungen ist allerdings umstritten, in welche Richtung Reformen gehen sollten. Staaten wie die Niederlande, die viel Wert auf Haushaltsdisziplin legen, klagen, die Kommission wende die Regeln zu lax an. Andere Länder, etwa das hoch verschuldete Italien, wünschen sich mehr Spielraum für Investitionen. Eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hat nun analysiert, welche Auswirkungen unterschiedliche Ansätze auf Wachstum und Staatsschulden haben.

Die gut 50-seitige Untersuchung erscheint an diesem Donnerstag. Die SPD-nahe Stiftung kommt zu dem Schluss, dass der Sparkurs, den klamme Euro-Staaten wegen des Stabilitätspakts eingeschlagen haben, schädlich gewesen sei und stattdessen höhere Staatsinvestitionen nützlich gewesen wären. In der Studie simulieren Volkswirte des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung die wirtschaftlichen Folgen verschiedener Entscheidungen für Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien, die vier größten Euro-Staaten. In einem Szenario steigern die Regierungen ihre Investitionen deutlich und finanzieren das über Kredit. Wenig überraschend kurbelt dies in dem Modell das Wachstum in den Ländern an. Doch trotz der höheren Ausgaben würden Haushaltsdefizit und Staatsschulden - gemessen als Anteil an der Wirtschaftsleistung - sinken. Das geht zwar langsamer voran, als es in Wirklichkeit dank der Sparprogramme der vergangenen Jahre geschehen ist, aber immerhin nicht auf Kosten des Wachstums. Besonders positiv wirkten sich stärkere Investitionen aus, wenn die vier Regierungen ihre Politik abstimmten, schreiben die Forscher.

Andere Simulationen beleuchten die Effekte einer EU-Arbeitslosenrückversicherung. Die Kommission will 2020 Vorschläge für solch ein System präsentieren, das bei Krisen die nationalen Arbeitslosenversicherungen unterstützt. Hätte es diese europäische Rückversicherung bereits während der Euro-Krise gegeben, wäre die Wirtschaft Italiens und Spaniens dank der Geldspritzen aus Brüssel schneller gewachsen, ergeben die Modellrechnungen. Die Versicherung hätte also die Krise tatsächlich gemildert.

Die Ökonomen schauen sich auch das Budget für die Euro-Zone an. Die Regierungen haben beschlossen, dass das Währungsgebiet einen eigenen Budgettopf bekommen soll. Wegen des Widerstands mancher Staaten ist dieser Topf aber eher ein Töpfchen; das Volumen beträgt weniger als 20 Milliarden Euro, aufgeteilt auf sieben Jahre und für 19 Staaten. Die Studie legt nahe, dass dieser Haushalt viel zu klein ist, um die Wirtschaft der Euro-Länder im Abschwung zu stabilisieren. Doch ein deutlich größeres Euro-Zonen-Budget wäre demzufolge durchaus nützlich. Richtige Hilfe kostet eben.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2019
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