Süddeutsche Zeitung

Corona-Fonds:Zinswende bringt EU-Haushalt durcheinander

Lesezeit: 2 min

Mit dem Corona-Wiederaufbaufonds stellt die EU-Kommission Hunderte Milliarden Euro bereit - auf Pump. Bei den Zinskosten hat sich die Behörde offenbar verkalkuliert.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Das Vorhaben war kühn, aber sie brachten es ins Ziel: Als die Pandemie die Menschen in Europa heimsuchte, nahm die EU-Kommission erstmals im großen Stil Schulden an den Finanzmärkten auf. " Next Generation EU" taufte sie den 2021 eingerichteten Topf, der bekannt geworden ist als Corona-Wiederaufbaufonds. 807 Milliarden Euro sind mittlerweile darin, finanziert über Anleihen, gemeinschaftliche Darlehen mithin, die zwischen 2028 und 2058 aus dem Etat der EU beglichen werden sollen. Also effektiv aus den Beiträgen, die Europas Regierungen nach Brüssel überweisen.

Dieses bislang einmalige Projekt dürfte nun deutlich teurer werden als bislang angenommen. Denn die Kommission hat die Rechnung ohne die Zinswende gemacht: Der Zinsanstieg sei "weit höher ausgefallen, als bei der Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021 - 2027 erwartet werden konnte", heißt es von der Behörde auf eine parlamentarische Anfrage des EU-Abgeordneten Moritz Körner (FDP), die der SZ vorliegt. Die ursprüngliche Kostenschätzung werde deshalb "als nicht mehr ausreichend angesehen". Statt 1,03 Milliarden stehen jetzt 280 Millionen Euro mehr im Plan - ein Anstieg um 27 Prozent.

Den EU-Finanzrahmen handeln Mitgliedstaaten und EU-Parlament alle sieben Jahre aus; er legt fest, wie viel Geld die EU ausgeben darf. Über ihn hinausgehen können die Institutionen nicht. Aber die Kommission ist sehr kreativ darin, innerhalb des Rahmens Gelder umzuwidmen. Das Geld für die höheren Zinszahlungen fehlt also potenziell anderswo. "Die Kosten für den Wiederaufbaufonds laufen bereits im zweiten Jahr ihres Bestehens aus dem Ruder", kritisiert Körner. "Die gestiegene Zinslast wird den Spielraum für Zukunftsinvestitionen weiter einengen."

Bei Anlegern waren die EU-Anleihen von Anfang an gefragt

Dabei geht es um jenen Teil der Gelder aus dem Corona-Fonds, den die Kommission als Zuschüsse an die Mitgliedstaaten verteilt. 338 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. Nur für diese Ausgaben muss die Kommission die Zinslast selbst einplanen, den anderen Teil der Fonds-Gelder vergibt sie als Darlehen an die EU-Länder, was sich nicht auf den Haushalt auswirkt.

Bei Anlegern waren die EU-Anleihen von Anfang an gefragt. Im zweiten Halbjahr 2022 und Anfang dieses Jahres begebene Papiere seien um das 2,8- bis 11-Fache überzeichnet gewesen, die Nachfrage war also deutlich höher als das Angebot. Obwohl die Anleihen zu den sichersten der Welt zählen, vergleichbar mit jenen Deutschlands, hatte der Zinsanstieg auch auf sie einen heftigen Effekt. Das sei bei anderen Euro-Ländern mit hohem Rating genauso zu beobachten, schreibt die Kommission.

Die Auszahlung der Gelder verläuft bislang schleppend, sie ist an klare Auflagen geknüpft. Die Regierungen sollen die Reform-Empfehlungen der Kommission stärker beachten, mindestens 37 Prozent der Hilfsgelder müssen dem Klimaschutz dienen und 20 Prozent der Digitalisierung. Das Geld wird schrittweise ausgezahlt, abhängig davon, ob die Empfänger jeweils zuvor definierte Zwischenziele im Reformprozess erreichen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5792864
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.