Süddeutsche Zeitung

EU:Beratung um Mindestlöhne

Lesezeit: 1 min

Gewerkschaften und Arbeitgeber diskutieren in den nächsten Wochen über eine Mindestlohn-Pflicht in der EU - verbunden mit höheren Untergrenzen. Einige Gewerkschaften sind dagegen.

Von Björn Finke, Brüssel

Mindestlöhne könnten in allen EU-Staaten Pflicht werden und existierende Untergrenzen steigen: EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit eröffnete am Dienstag eine mehrwöchige Beratung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden - der erste Schritt im Gesetzgebungsverfahren. Der luxemburgische Sozialdemokrat will ausloten, ob die Sozialpartner EU-Regeln für nötig halten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte solch eine Initiative im vergangenen Sommer angekündigt, auch um sich im Europaparlament die Unterstützung der Sozialdemokraten für ihre Berufung zu sichern. Ihr Vizepräsident Frans Timmermans hatte sich vor den Europawahlen dafür ausgesprochen, dass jedes Mitgliedsland einen Mindestlohn von 60 Prozent des Median-Einkommens, also des mittleren Einkommens, vorgeben sollte.

Dies erreichen die wenigsten Staaten. Für Deutschland würde Timmermans' Untergrenze eine Erhöhung des Mindestlohns von 9,35 auf etwa zwölf Euro pro Stunde bedeuten - genau wie es die hiesigen Gewerkschaften fordern. In sechs Ländern existieren bislang keine gesetzlichen Mindestlöhne: in Zypern, Italien, Österreich, Finnland, Schweden und Dänemark. Kommissar Schmit begründet den Vorstoß damit, dass "wir weiter nach dem höchsten aller Standards in Arbeitsmärkten streben müssen, damit alle Europäer ihr Leben mit Würde und Ehrgeiz leben können".

Seine Behörde betont aber, dass sie nationale Traditionen und Tarifverhandlungssysteme respektieren wolle. "Die Kommission wird nicht die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne erzwingen, sondern vorgeben, dass die Staaten das Ziel auf eine Weise erreichen sollen, die zu den bestehenden Systemen der Lohnfindung passt", sagt Torsten Müller voraus, Arbeitsmarkt-Experte bei der Brüsseler Forschungseinrichtung European Trade Union Institute.

Die meisten Gewerkschaften unterstützen eine EU-Regelung. Ausnahmen sind die Organisationen aus Dänemark und Schweden, die politische Einflussnahme ablehnen. Auch der Arbeitgeber-Dachverband Business-Europe ist strikt gegen die Pläne. Im Europaparlament droht gleichfalls Widerstand: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber klagt, EU-einheitliche Mindestlöhne oder Berechnungsmethoden seien sinnlos und "ein erheblicher Eingriff in die verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4756229
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.