Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energien:Diplomatie auf Kosten der Verbraucher

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Bei der EEG -Reform will Wirtschaftsminister Gabriel es allen recht machen. Die Industrie behält ihre Rabatte, die Ökobranche ihre Förderung. Der Verbraucher zahlt. Aber der entscheidet am Ende auch über seinen Erfolg als Energieminister.

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Trefflich hat es Sigmar Gabriel als Oppositionspolitiker immer wieder verstanden, die Backen aufzublasen. Doch nun, seit seinem Eintritt ins Kabinett, pflegt er einen eher zurückhaltenden Ton. Deshalb hat er es auch im Ringen um eine neue, bessere Energiepolitik zu Recht unterlassen, allzu große Erwartungen zu erwecken. Das unterscheidet ihn von seinen Vorgängern: von FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler und CDU-Umweltminister Peter Altmaier, dessen Haus er die (Mit-)Zuständigkeit für die Energiepolitik weitgehend entwunden hat.

Rösler und Altmaier sind mit der fixen Idee einer "Strompreisbremse" ins Wahljahr 2013 gezogen. Sie erweckten damals den Eindruck, der schnelle Anstieg der Strompreise, unter dem die Verbraucher leiden, ließe sich nicht bloß stoppen, sondern umdrehen.

Deutsche haben sich im Wirrwarr engerichtet

Und weil die hohen Stromkosten in Deutschland nun mal sehr stark mit den wirren Mechanismen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zu tun haben, beinhaltete das Schlagwort von der Strompreisbremse zugleich eine zweite Botschaft: Dass sich das missratene EEG problemlos neu ausrichten lässt.

Dem ist aber nicht so. Denn die Deutschen leben seit mehr als einem Jahrzehnt mit diesem Gesetz, viele Interessengruppen haben sich in dieser Welt mit all ihren Sonder-, Zuschuss- und Ausnahmeregeln eingerichtet - und jeder Versuch, dies zu verändern, ruft sofort massiven Widerstand hervor.

Fast immer geht es dabei um Verteilungsfragen: Wer gewinnt? Wer verliert? Die Industrie oder die Ökobranche? Die Verbraucher oder die Unternehmen? Der Süden der Republik oder der Norden? Eine grundlegende Reform des EEG ist mindestens genauso vertrackt wie eine grundlegende Reform des deutschen Steuerrechts. Und genauso aussichtslos.

Gabriel will jeden mitnehmen

Sigmar Gabriel ist deshalb, ähnlich wie Frank-Walter Steinmeier, sein sozialdemokratischer Kollege im Auswärtigen Amt, vor allem als ausgleichender Diplomat unterwegs. Er versucht, jeden mitzunehmen und allen das Gefühl zu geben, dass er ihre Belange berücksichtigt.

Dabei können allerdings am Ende auch faule Kompromisse herauskommen wie in der vorigen Woche beim Gipfel mit den Ländern: Gabriels Versuch, den Ausbau von Windkraft und Biogas-Anlagen ein wenig zu bremsen, wurde von den Ländern sanft, aber zielstrebig korrigiert.

Das hilft der hoch subventionierten Ökostrom-Branche, aber es schadet den Verbrauchern: Gabriel und die Kanzlerin mussten einräumen, dass es sinkende Strompreise nicht geben werde.

Und nun wird Gabriels EEG-Reform auch noch an anderer Stelle zerfleddert - letztlich sogar durch das eigene Zutun des Minister. Denn assistiert von der deutschen Industrie, von Chemie-, Stahl- oder Aluminiumkonzernen hat Gabriel in zähen Verhandlungen in Brüssel durchgesetzt, dass die umstrittenen Rabatte für jene Unternehmen weitestgehend erhalten bleiben, die schon jetzt bei der Öko-Umlage in Milliardenhöhe geschont werden.

Verbraucher zahlen weiter hohe EEG-Umlage

Das mag Gabriel damit rechtfertigen, dass er in den energieintensiven Unternehmen keine Jobs gefährden will. Aber die Ausnahmen gibt es nicht umsonst: Finanziert werden sie letztlich von den Verbrauchern; diese müssen auch künftig eine höhere EEG-Umlage bezahlen, damit die Industrie geschont werden kann - und die Ökostrom-Branche ihre üppige Förderung zugleich behalten kann.

Doch eine Korrektur der Energiewende, die allein die Interessen verschiedener Wirtschaftszweige berücksichtigt, nicht aber jene der Verbraucher, greift zu kurz. Ob Gabriel als Energieminister am Ende erfolgreich ist (und ob der SPD dies bei den Wahl nützt), wird am Ende auch davon abhängen, ob der Strompreis weiter steigt - ganz egal, ob Gabriel nun von einer "Strompreisbremse" spricht oder nicht.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2014
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