Erbschaftsteuer:Seehofer kritisiert Schäubles Steuerpolitik
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Von Cerstin Gammelin, Berlin
Selbstredend kann das Büro des Bundesfinanzministers in der Berliner Wilhelmstraße niemals nur Kulisse sein. In dem Hause werden schließlich nicht nur Finanzen gehütet, sondern auch gewichtige politische Entscheidungen vorbereitet. Am Freitag jedoch will Wolfgang Schäuble (CDU) sein Büro ausnahmsweise als Schauplatz für einen Dreiergipfel verstanden wissen, für den er sich selbst die Rolle eines Moderators zugeteilt hat. Am Freitagvormittag sollen ihm die beiden politischen Kontrahenten gegenübersitzen: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sowie Vize-Kanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Zu schlichten ist der zähe Streit über die geplante Reform der Erbschaftsteuer.
Gemessen an der Bereitschaft der drei Koalitionäre, sich kurzfristig zu treffen, um einen neuen Versuch zu wagen, die Streitigkeiten über die künftigen Regeln zum Erben und Schenken für Unternehmen beizulegen, dürfte ein gewisser Wille zur Einigung vorhanden sein. Über die Erfolgsaussichten des Dreiergipfels wollte am Tag zuvor jedoch keine der Parteien eine Prognose abgeben.
Seehofer kritisiert Schäubles Steuerpolitik
Gabriel werde entspannt in die Wilhelmstraße fahren, verlautete aus der SPD. Schließlich habe die Koalition im Februar eine Einigung erzielt, bei der die Sozialdemokraten weitreichende Kompromisse gemacht hätten. Diese Einigung habe die CSU in Gestalt von Seehofer aufgekündigt, der plötzlich einen Acht-Punkte-Forderungskatalog auf den Tisch gelegt habe, den ihm bayerische Unternehmer nach Inspektion des Koalitionskompromisses diktiert hätten. Wenn es also überhaupt etwas zu schlichten gebe, dann zwischen Seehofer und Schäuble.
In der CSU war es am Donnerstag zunächst ungewöhnlich versöhnlich. Die Atmosphäre in der vorausgegangenen Nacht, als die Koalitionsspitzen im Kanzleramt saßen, sei gut gewesen. Doch unmittelbar vor dem wichtigen Treffen meldete sich Ministerpräsident Seehofer nochmal per Interview zu Wort und kündigt eine resolute Haltung an. Es sei die Aufgabe der Bundesregierung, die Erbschaftsteuerreform und den Länderfinanzausgleich so zu gestalten, dass sie im Bundesrat zustimmungsfähig seien, sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Weil dies dem Bundesfinanzminister offenbar nicht gelingt, wird die CSU eine steuerpolitische Offensive starten." Eine direkte Kritik an Schäuble.
In der CDU kommunizierte man bereits, dass der Ausgang des Treffens zwar offen sei, aber an technischen Kleinigkeiten jedenfalls nicht scheitern werde. Was sich so verstehen lässt, dass Moderator Schäuble einige Ideen entwickelt haben dürfte, die sowohl SPD als auch CSU als auch ihn selbst am Ende passabel dastehen lassen könnte.
Zeitdruck bei der Entscheidung
Der Dreiergipfel im Ministerbüro steht unter besonderem Zeitdruck. Für die Koalition ist es praktisch der letzte Zeitpunkt, um mit dem notwendigen Gesetzgebungsprozess rechtzeitig fertig zu werden. Ende Juni läuft die Frist ab, die das Bundesverfassungsgericht der Regierung zur Neufassung der Erbschaftsteuer eingeräumt hat. Die Richter fordern, dass nur solche Firmenerben steuerlich verschont werden, die Betrieb und Arbeitsplätze erhalten.
Vor allem die CSU will Unternehmen trotz der Vorgaben aus Karlsruhe weitgehend von der Erbschaftsteuer befreien. Sie argumentiert, dass die Koalition Steuererhöhungen für die laufende Legislaturperiode ausgeschlossen habe. Schäuble hatte als zuständiger Minister dann im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD hatten sich nach mühevollen Verhandlungen im Februar 2016 auf einen Kompromiss geeinigt. Dieser war von Seehofer nach Rücksprache mit Unternehmen in Bayern jedoch wieder aufgekündigt worden. Seither hing die Reform fest.
Dass vier Wochen vor Ablauf der Frist die Einigung doch wieder möglich zu sein scheint, liegt nach Ansicht von Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) auch daran, dass einige Wirtschaftsverbände sich inzwischen sorgen, dass ihnen keine Einigung mehr schaden könnte als der Kompromiss, der auf dem Tisch liegt. "Der eine oder andere Verband sieht es jetzt als Risiko, die Einigung zu verzögern", sagte Schäfer am Donnerstag. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2014 die Nachbesserung in der Erbschaftsteuer gefordert, ohne konkrete Auflagen vorzugeben. Sollte die Regierung fast zwei Jahre später nicht geliefert haben, so Schäfer, könnten die Richter einen Klarstellungsbeschluss fassen, in dem sie präzisieren, was geändert werden muss. Gut möglich, dass diese Präzisierungen deutlich weiter gehen als die jetzt noch umstrittenen Regeln in Schäubles Gesetz.