Süddeutsche Zeitung

Energiestreit: Brandbrief:Bosse gegen Merkel

Eine Atom-Regierung mit Kanzler Clement, Vize Merz und Außenminister Bierhoff? Die würde keiner wählen. Der "Energiepolitische Appell" der "Interessengruppe Deutsche Industrie" ist eine doppelte Attacke auf Angela Merkel.

Kurt Kister

Unternehmer haben Interessen, und ihr Hauptinteresse liegt darin, Geld zu verdienen. Deswegen versuchen jene Unternehmen, die in Deutschland das Energie-Oligopol bilden, mit fast allen Mitteln, ihre Gelddruckmaschinen, die Kernkraftwerke, so lange und so wenig von Steuern belastet wie möglich laufen zu lassen. Dies möchte eine Mehrheit der Deutschen aber nicht, und selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung will zwar die Laufzeiten verlängern, aber wenigstens über die Brennelementesteuer Gewinne abschöpfen.

Um dies zu verhindern, hat sich nun um die Energielobby herum eine Art "Interessengruppe Deutsche Industrie" versammelt, die von zumeist älteren Politikern unterstützt wird. Die Politiker sind zum Beispiel Merz, Clement und Schily, alles Leute, die ihr Hang zum Rechthaben, den sie als Prinzipientreue sehen, an den Rand ihrer Parteien geraten ließ. Bemerkenswerter aber ist, dass der "Energiepolitische Appell" gegen höhere Energiesteuern und für lange Laufzeiten von der Crème der Vorstandschefs und Aufsichtsräte mitgetragen wird. Ackermann findet sich da ebenso wie Cordes von der Metro oder Ostrowski von Bertelsmann.

Der Appell liest sich nüchtern, ist aber ein Angriff auf Politik und Person von Angela Merkel. Zuerst kam die sonderbare Abschaltdrohung der Energiefirmen und nun die öffentliche Abmahnung aus den Reihen von Dax-30 per Inserat. Die Bosse sind nicht zufrieden mit dem, was sie in der CDU finden, mit SPD und Grünen sowieso nicht.

Was für eine Regierung hätten die Herren denn gerne - den Bundeskanzler Clement mit Vize Merz und Außenminister Bierhoff? Leider werden die Leute so eine Partei, die Dax-30 noch gründen müsste, nicht wählen.

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Quelle:
SZ vom 21./22.08.2010
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