Süddeutsche Zeitung

Energie:Hoher Ölpreis lässt Verbraucher ächzen

Lesezeit: 3 min

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

US-Präsident Donald Trump regiert gerne per Twitter, und so schrieb er vor wenigen Tagen: "Wir schützen die Staaten im Nahen Osten, sie wären nicht sehr lange sicher ohne uns, und trotzdem dringen sie auf höhere und immer höhere Ölpreise! Werden wir uns merken. Das Opec-Monopol muss jetzt die Preise runterbringen!"

Alleine, er fand nicht viel Gehör bei den Adressaten. Die Ölminister des Kartells, die sich am Wochenende in Algier versammelt hatten, bekundeten in einer gemeinsamen Erklärung mit Nicht-Opec-Produzenten wie Russland ihre "Zufriedenheit mit den aktuellen Aussichten des Ölmarktes" und der "gesunden Balance zwischen Angebot und Nachfrage weltweit". Eine Erhöhung der Fördermengen, wie Trump sie fordert, beschlossen sie zunächst nicht.

Die Folgen des Ministertreffens sind spürbar - am Ölmarkt und für die Verbraucher. Am Montag erreichte der Preis für ein Barrel der Referenzsorte Brent fast 81 Dollar, das ist der höchste Wert seit Herbst 2014 und eine Steigerung um knapp 30 Prozent seit Jahresbeginn. Auch an den Zapfsäulen erreichen die Preise das damalige Niveau. In Deutschland kostet ein Liter Super inzwischen wieder im Durchschnitt 1,52 Euro, also 30 Cent mehr als Ende März. Für 1000 Liter Heizöl müssen deutsche Kunden nach Daten der Agentur Bloomberg derzeit 817 Euro bezahlen, Ende Februar waren es noch 610 Euro.

Trump kann diese Entwicklung nicht recht sein, denn bei den Zwischenwahlen in den USA Anfang November steht für die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses auf dem Spiel - und damit seine Möglichkeiten, mit Gesetzesänderungen seine Politik langfristig zu verankern oder auch, sich ein Amtsenthebungsverfahren vom Leib zu halten.

Trump ist selbst verantwortlich

Allerdings ist der US-Präsident selbst maßgeblich verantwortlich für den Anstieg der Ölpreise, darin sind sich Marktanalysten, Förderländer und westliche Diplomaten einig. Ausgelöst hat er sie durch seinen Rückzug aus dem Atomabkommen mit Iran im Mai. Zwei Tage vor der Zwischenwahl treten wieder die US-Sanktionen gegen Irans Ölindustrie und die Zentralbank in Kraft. Etliche Analysten erwarten, dass die Ölpreise bald wieder dreistellig sein werden. Mit Blick auf Irans sinkende Ausfuhren sagte gerade Daniel Jaeggi vom Schweizer Rohstoff-Handelsunternehmen Mercuria: "Der Markt hat nicht die Kapazität, um das Verschwinden von zwei Millionen Barrel pro Tag auszugleichen." Konkurrent Trafigura prognostizierte, ein Barrel werde bereits zu Weihnachten 90 Dollar kosten, Anfang 2019 dann 100 Dollar oder mehr.

Iran hat nach eigenen Angaben 2018 zeitweise 3,8 Millionen Barrel Rohöl und Kondensate pro Tag produziert, bis zu 2,8 Millionen Barrel gingen demnach in den Export. Präsident Trump hat gefordert, alle Kunden Irans müssten ihre Einfuhren bis November "auf Null reduzieren". Das wird absehbar nicht passieren. Aber bereits der Ausfall von derzeit 500 000 bis 700 000 Barrel, von dem Marktanalysten ausgehen, hat massive Folgen. Unter Präsident Barack Obama hatten die USA Verbündeten Ausnahme-Genehmigungen erteilt, die es Iran erlaubten, bis zu 1,5 Millionen Barrel pro Tag auszuführen. Trump hat das bislang ausgeschlossen.

Zuletzt half noch eine Twitter-Tirade

Im Juni hatte der US-Präsident mit einer ähnlichen Twitter-Tirade die Opec-Staaten und wichtige Produzenten außerhalb des Kartells noch dahin gebracht, ihre gemeinsam gedeckelte Fördermenge um eine Million Barrel pro Tag zu erhöhen. Er hatte allerdings alleine von Saudi-Arabien zwei Millionen Barrel mehr pro Tag gefordert.

Dazu sei das Königreich auch bei gutem Willen rein technisch nicht in der Lage, sagen Analysten. Außerdem kommen den Saudis die höheren Preise nicht ungelegen, solange die Nachfrage stabil ist: Sie brauchen dreistellige Preise, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Russland, der größte Produzent außerhalb der Opec, fördert bereits auf Rekordniveau. In Asien gehen in den kommenden Monaten drei neue Großraffinerien in Betrieb, das lässt die Nachfrage nochmals um mehr als eine Million Barrel pro Tag steigen. Saudi-Arabiens Energieminister Khaled al-Falih sagte dessen ungeachtet in Algier: "Der Grund, warum Saudi-Arabien seine Förderung nicht weiter erhöht, ist, dass all unsere Kunden all die Barrel bekommen, die sie wollen."

Der Plan sei, die Nachfrage zu befriedigen, fügte er hinzu - nicht die Preise zu beeinflussen. Tatsächlich hätten die Ölproduzenten darüber gesprochen, die Fördermenge weiter zu erhöhen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, jedoch maximal um 500 000 Barrel. Das dürfte den Anstieg der Preise bestenfalls bremsen. Großverbraucher wie Fluggesellschaften versuchen seit Monaten, sich mit langfristigen Verträgen abzusichern, bei denen heute Preise für Lieferungen im kommenden Jahr oder gar für 2020 ausgehandelt werden.

Lage ist angespannt wie seit Jahren nicht mehr

Eine Eskalation in der Golfregion könnte überdies alle vorsichtig kalkulierten Marktinterventionen zunichte machen. Trump hält an diesem Dienstag eine Rede vor der UN-Generalversammlung, bei der er Iran in den Mittelpunkt stellen will, wie es heißt. Am Mittwoch leitet er eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Zwar haben Diplomaten eigentlich vereinbart, das Thema des Treffens breit zu fassen, aber Trump hat klargemacht, worum es ihm geht: Iran.

Dazu kommt der Anschlag auf eine Militärparade in Ahwas, der Hauptstadt der iranischen Ölprovinz Khusestan am Samstag mit 24 Toten. Teheran macht dafür die USA und die Golfstaaten verantwortlich. Die Lage ist angespannt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Mögliche Produktionsausfälle in Venezuela und Libyen könnten die Ölpreise weiter nach oben treiben.

Irans Vertreter bei der Opec, Hossein Kazempour Ardebili, hatte indes einen guten Rat für Trump parat. "Ich sage ihm, bleib ruhig, poste keine Tweets, dann wird er bei den Preisen besser dran sein." Allerdings hört Trump nicht mal auf seinen engsten Berater, wenn die ihn anflehen, seine Ausbrüche auf Twitter zu zügeln.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2018
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