Süddeutsche Zeitung

Israel:El Al bleibt am Boden

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Die israelische Fluggesellschaft ist überschuldet und stellt den Betrieb vorerst ein. Es gibt Streit um ein Rettungspaket und einen Einstieg des Staates.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Am Mittwochvormittag gab El-Al-Chef Gonen Usishkin die Order aus: Alle Flüge für diesen Tag werden gestrichen und bis auf weiteres auch jene, die für die kommenden Tage vorgesehen waren. Cargomaschinen, die mit Frachtladungen bereits nach Mailand und London unterwegs waren, wurden zur Rückkehr aufgefordert. Die israelische Wirtschaftszeitung Globes wertete diese Aufforderung als Signal, dass die prestigeträchtige Fluglinie El Al ihren Betrieb einstellt.

Schon seit Anfang März sind die meisten Maschinen der Gesellschaft am Boden. Es gab nur noch vereinzelt Spezialflüge, vor allem um Israelis, die wegen der Corona-Krise irgendwo auf der Welt gestrandet waren, die Rückkehr zu ermöglichen. Das Frachtgeschäft lief weiter, wenn auch auf geringerem Niveau. Die El-Al-Führung verschob die Wiederaufnahme von Passagierflügen mehrfach - zuletzt auf den 31. Juli. Seit Monaten bekommen 5800 der rund 6300 El-Al-Beschäftigten kein Gehalt mehr, nur ein Sechstel der Piloten war zuletzt im Einsatz.

Am Dienstagabend hatte die Geschäftsführung einen Verlust von 140 Millionen Dollar für das erste Quartal gemeldet. Die Schulden belaufen sich insgesamt auf mehr als zwei Milliarden Dollar. Wochenlang haben Vertreter der Regierung, der Fluggesellschaft und der Gewerkschaften über ein Rettungspaket verhandelt. Dabei soll es hoch hergegangen sein. Bei einem der Treffen sollen Gewerkschaftsvertreter Möbel zertrümmert haben.

Zuletzt unterbreitete das Finanzministerium ein Angebot, das aber von der Unternehmensleitung abgelehnt wurde. Denn der Vorschlag sah einen Wiedereinstieg des Staates bei der Fluggesellschaft vor - ausgerechnet unter Regierungschef Benjamin Netanjahu, der vor 15 Jahren die Privatisierung von El Al angestoßen hatte.

Die Fluglinie sollte einen zu 75 Prozent vom Staat garantierten Kredit in Höhe von 250 Millionen Dollar bekommen. Die Finanzspritze war auch deshalb nötig, weil gebuchte Flüge noch nicht an Passagiere rückerstattet worden waren. El Al ist überdies dem staatlichen Flughafenbetreiber IAA Gebühren schuldig geblieben. Es konnten in den vergangenen Monaten sogar Zulieferer nicht mehr bezahlt werden.

Außerdem war eine Kapitalerhöhung von 150 Millionen Dollar geplant. Der Staat Israel hätte dadurch am Ende 61 Prozent der Anteile an El Al halten können. Laut dem Vorschlag des Finanzministers Israel Katz hätte ein Kommissär die Beteiligung treuhänderisch verwalten sollen. Nach drei bis fünf Jahren sollte die Fluglinie erneut privatisiert werden. 2004 hatte der Staat Israel seine Beteiligung an der wichtigsten nationalen Fluggesellschaft abgestoßen. Größter Aktionär ist derzeit das private Luftfahrtunternehmen Knafaim Holdings, das 37,3 Prozent der Anteile hält. Weitere Beteiligungen halten die Investmentgesellschaften Ginzburg Group (7,97 Prozent) und Delek Group (8,75 Prozent).

Beim Personal sollten rund 30 Millionen Dollar gespart werden

Der Rettungsplan sah außerdem vor, dass ein Drittel der etwa 6300 Beschäftigten entlassen werden sollte. Außerdem sollten Freiflüge gestrichen, die Löhne und Gehälter der Besserverdienenden, des Managements und des Aufsichtsrates gekürzt und Dividendenzahlungen ausgesetzt werden. Die Einsparungen beim Personal sollten einen Betrag von rund 30 Millionen Dollar bringen.

In den vergangenen Tagen hatte sich der Konflikt zwischen der Unternehmensleitung und den Piloten zugespitzt. Auslöser war die Ablehnung des von der Regierung unterbreiteten Rettungsplans durch das Management. Der Vorsitzende der Vereinigung der Piloten, Nir Reuveni, warf der Unternehmensleitung Unfähigkeit vor: Man habe ein großzügiges Angebot der Regierung abgelehnt und auch keine Übereinkunft mit den Beschäftigten gefunden. Die El-Al-Führung wiederum warf Gewerkschaft und Beschäftigten vor, noch keiner Vereinbarung zugestimmt zu haben, die Voraussetzung für den Rettungsplan sei.

Der Chef der israelischen Transportgewerkschaft, Avi Edri, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Flugbetrieb nur vorübergehend eingestellt worden ist. El Al befinde sich "in einer lebensbedrohlichen Lage", gestand Edri ein. Er warnte davor, El Al "weiter ausbluten" zu lassen. In den Achtzigerjahren war die 1948 gegründete Fluggesellschaft bereits einmal insolvent, wurde dann aber gerettet. In den vergangenen Jahren war El Al meist profitabel, die Billigfluglinie Up wurde aber 2018 wieder eingestellt.

Zuletzt hatte der Wiederanstieg der Coronavirus-Zahlen in Israel die Hoffnung auf eine rasche Öffnung der Grenzen und die baldige Wiederaufnahme des regulären Flugbetriebs zunichte gemacht. Bis 1. August hat Israel für Ausländer die Grenzen geschlossen. Nur Israelis und Menschen, die dauerhaft im Land leben und arbeiten, wird die Einreise gestattet.

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SZ vom 02.07.2020
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