Geldanlage:Wer dreckige Aktien verkauft, hilft dem Klima
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Wenn Fonds massenhaft schmutzige Papiere abverkaufen, sinken daraufhin nicht nur die Kurse der Firmen - sondern auch ihre CO₂-Emissionen.
Von Victor Gojdka, Frankfurt
Die Illusion von einer besseren Welt platzte, als sich Bill Gates 2018 am Kopf kratzte. Mit seinem rosa Pullunder hatte sich der Multimilliardär in den grauen Ohrensessel gelehnt, auf einer Bühne der Uni Stanford sollte er zu Energiefragen sprechen. Doch auch wenn das Setting zunächst nach einer Märchenstunde des Multimilliardärs aussah, sollten es Gates Äußerungen in sich haben. Finanzleute, sagte er, hielten sich inzwischen für Magier. Glaubten, die Welt verändern zu können, indem sie in Excel ein paar Zahlen von links nach rechts schubsen. Dreckige Aktien verkaufen? "Das hat bisher keine einzige Tonne CO₂ reduziert", setzte Gates später nach.
Gates forderte damit eine Erzählung heraus, die Fondsgesellschaften nur zu gerne bemühen: Wer Kohle-, Öl- und Atomaktien aus den Fonds herausschmeißt, tut der Umwelt etwas Gutes. So will der niederländische Pensionsfonds ABP - immerhin der größte in Europa - bis 2023 aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Der einzige Schönheitsfehler: Bislang monierten auch Experten immer wieder, dass sich Massenverkäufe dreckiger Aktien kaum in eine bessere Klimabilanz übersetzen ließen. Denn wenn ein Fonds die Aktien verkauft, dann greifen im Zweifel andere Investoren zu, denen die Umwelt weniger wichtig ist. Dem Unternehmen, so die Lesart, könne das am Ende weitgehend egal sein.
Nun können Finanzmarktforscher der Uni Augsburg in einer Studie Kritikern wie Bill Gates erstmals etwas entgegenhalten. In einem Paper, das der SZ vorab vorliegt, haben die Forscher Martin Rohleder, Marco Wilkens und Jonas Zink Erstaunliches herausgefunden: Wenn Fonds massenhaft dreckige Aktien abverkaufen, sinken nicht nur deren Kurse überdurchschnittlich stark - die Unternehmen reduzieren in den folgenden Jahren im Durchschnitt sogar ihre CO₂-Emissionen.
Um das herauszufinden, haben die Forscher mehr als 4000 Fonds aus den USA und Europa unter die Lupe genommen. Damit umfasst der Datensatz das gigantische Vermögen von insgesamt 5,7 Billionen Dollar. Aus diesen Fonds haben die Forscher jene Ereignisse herausgefiltert, bei denen die Fonds ganz offensichtlich ihre CO₂-Bilanz drücken wollten - und dreckige Aktien abverkauften.
Das erstaunliche Ergebnis: Aktien, die von solchen Verkaufsaktionen erwischt wurden, sanken in den folgenden Monaten im Schnitt deutlich. Binnen zwei Jahren nach dem Verkaufszeitpunkt sanken ihre Kurse durchschnittlich um knapp 6,7 Prozent und damit deutlicher als andere Titel. Offenbar schraubten die betroffenen Firmen dann sogar an ihren CO₂-Emissionen, schließlich sank dieser Ausstoß binnen vier Jahren durchschnittlich um 2,3 Prozent. Zum Vergleich: Bei anderen untersuchten Aktien stiegen die Emissionen meist munter weiter.
Einige Nonnen investieren bewusst in Waffenfirmen
Viele Fondsgesellschaften in Deutschland zeigen sich jedoch selbst bei Branchen wie Kohle noch zögerlich, die entsprechenden Aktien restlos und zeitnah aus ihren Portfolios zu schleudern. Lieber wollen viele Finanzprofis die Kohlefirmen "auf ihrem Weg hin zur Dekarbonisierung begleiten". Mit anderen Worten: Sie bleiben zumindest teilweise investiert.
Dabei wäre es für die Fondsmanager im Schnitt denkbar einfach, die eigene Klimabilanz dramatisch aufzubessern. Die Studie der Augsburger Forscher zeigt, dass sie im Durchschnitt nur einen einzigen Aktientitel verkaufen müssten, um die CO₂-Intensität des Fonds um rund ein Viertel zu drücken. Konkret bedeutet das: Schmeißen Fondsmanager die schmutzigste Aktie aus ihrem Portfolio, betrifft das nur 1,5 Prozent den Fondsvolumens - senkt die CO₂-Intensität des Portfolios aber um 24 Prozent. Wer bereits die fünf schlimmsten Aktien verkauft, kann die CO₂-Emissionen pro Dollar investierten Geldes sogar um knapp 60 Prozent drücken.
Da die Studie die erste ihrer Art ist, werden viele Kritiker die Daten nun genau unter die Lupe nehmen. Eine interessante Frage dürfte zum Beispiel sein, ob der CO₂-Ausstoß der Unternehmen auch dauerhaft niedriger bleibt. Bislang haben die Forscher diese Bilanz nur bis maximal vier Jahre nach dem Abverkauf nachvollzogen, eine wissenschaftlich gesehen recht kurze Zeitspanne.
Dennoch gibt die Studie Skeptikern nun erstmals wissenschaftliches Datenmaterial an die Hand, sich vielleicht doch sogenannten Divestment-Initiativen anzuschließen und problematische Aktien nicht mehr in den eigenen Portfolios zu dulden, sondern lieber abzuverkaufen. Insgesamt haben sich bereits mehr als 1300 Institutionen öffentlich zum Verkauf zweifelhafter Aktien bekannt, insgesamt verwalten sie mehr als 14 Billionen Dollar.
Den genau umgedrehten Weg beschreiten übrigens einige Nonnen in den USA. Sie investieren bewusst in die Aktien von Waffenherstellern - um das Unternehmen dann ordentlich unter Druck zu bringen.