Süddeutsche Zeitung

Fusion:Wie die Deutsche Börse ihren Plan retten will

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Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Carsten Kengeter ist keiner, der beim erstbesten Widerstand einknickt und einmal gefasste Pläne verwirft. Der Chef der Deutschen Börse möchte die Fusion mit den Londoner Börse unbedingt durchziehen, obwohl die Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, alle Beteiligten kalt erwischt hat. Weder an der Themse, noch am Main hatte man fahrlässigerweise ernsthaft für den Fall des Brexit geplant. Entsprechend unvorbereitet war man deshalb, als die Finanzaufsicht Bafin, hochrangige deutsche Politiker und der Betriebsrat des im Aktienindex Dax notierten Unternehmens nach dem Votum der Briten deutlich machten, dass sie den geplanten Hauptsitz einer fusionierten Börse in London jetzt nicht mehr akzeptierten.

Kengeter wirbt nun hinter den Kulissen um die Gunst der Kritiker. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung versprach er den Aktionären, eine Doppel-Holding in Frankfurt und London einzurichten. Damit wäre der Wunsch der Aufsicht nach einem Sitz innerhalb der EU gelöst, so seine Hoffnung. Ein Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren. Im Anschluss an eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung teilte die Börse mit, "dass die kombinierte Gruppe sämtliche regulatorischen Anforderungen im Hinblick auf den Vollzug der Transaktion erfüllen wird". Das Prozedere ist jedoch heikel. Im offiziellen Fusionsangebot steht nur London als Hauptsitz. Dieses Schriftstück kann aus juristischen Gründen nicht mehr geändert werden. Daher sucht man nun nach Nebenabreden, die dem offiziellen Angebot beigelegt werden.

Rechtlich bindend werden diese Nebenabreden aber erst, wenn die Fusion vollzogen ist und das oberste Entscheidungsgremium der fusionierten Börse mit Dreiviertelmehrheit der Änderung zustimmt. Das Vorhaben baut daher darauf auf, dass die Behörden den Nebenabreden vertrauen.

Die Aktionäre der London Stock Exchange (LSE) haben bereits zugestimmt: Am Montag votierten sie mit 99,9 Prozent für den Zusammenschluss mit der Deutschen Börse. Deren Eigentümer stimmen am 12. Juli ab. Kengeter rechnet dem Vernehmen nach nun sogar mit 95 Prozent Zustimmung der Aktionäre, 75 Prozent seien in jedem Fall sicher. Der frühere Investmentbanker wirbt auch damit, dass die Abwicklung des Euro-Handels nach der Fusion von London nach Frankfurt kommt.

Nach der Entscheidung der Aktionäre beginnt ein zäher Genehmigungsprozess, der sich bis Anfang kommenden Jahres ziehen könnte. So müssen die Finanzaufsicht Bafin, die EU-Wettbewerbsbehörde und Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) dem Plan schließlich zustimmen.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2016
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