Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Waidmannsheil

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Der neue Vorstandschef Christian Sewing verlangt von seinen Mitarbeitern "Jägermentalität". Die Feinheiten des deutschen Jagdgesetzes allerdings sollte der neue Chef des Geldhauses noch mal genau studieren.

Von Tanja Rest

Keine ganz leichte Sache, die beiden Botschaften zusammenzufügen. Da war auf der einen Seite der Mann, der rhetorisch rudernd, aber mit wirklich grundanständigem Gesicht der Moderatorin Marietta Slomka ein Interview gab, ein Mann, von dem man zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass er unter 50 war, in Bielefeld angefangen und die Hände vom Investmentbanking gelassen hatte, was alles offenbar gleichermaßen für ihn sprach. Und da war auf der anderen Seite das Wort, das eben jener Christian Sewing am Abend zuvor in seine Mail an die 100 000 Beschäftigten hineingetippt hatte: "Jägermentalität". Ein Wort wie mit dem Fürst-Pless-Horn geblasen.

Unseren Recherchen zufolge ist es zuletzt im April 2017 von Maik Walpurgis verwendet worden, Cheftrainer des FC Ingolstadt, womit auch sofort klar ist, wem die Jagd galt: den Punkten natürlich. (Dass nicht allzu viele Treffer folgten, erkennt man schon daran, dass Walpurgis nicht mehr Trainer des FC Ingolstadt ist.) Wen oder was aber könnte der neue Cheftrainer des angeschlagenen Teams Deutsche Bank jagen wollen? Und was soll das überhaupt sein, "Jägermentalität"?

Ganz einfach: Die Jägermentalität ist die geistige Haltung dessen, der die Jagd auszuüben berechtigt ist. Das Jagdrecht wiederum ist laut Paragraf 1, Absatz 1 des Bundesjagdgesetz (BJagdG) "die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere (...) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen". Das Gebiet, dies hat Sewing deutlich gemacht, ist erst mal Deutschland, mittelfristig aber die Welt. Mit den Tieren kann eigentlich nur die Konkurrenz gemeint sein, die so vogelwild ist, wie es die Deutsche Bank selbst einmal war, jetzt aber nicht mehr ist, da sie nun "eine saubere Bank" sei, wie Sewing zu Slomka sagte. Was die Konkurrenz davon halten wird, dass der Waidmann in Frankfurt sie erst hegen, dann bejagen und sie sich schließlich aneignen will, weiß allerdings der Teufel, und da haben wir mit den Feinheiten der geistigen Haltung noch gar nicht angefangen.

Nicht ganz auszuschließen ist immerhin, dass Christian Sewing §1 Abs. 1 BJagdG gar nicht konsultiert hat, bevor er mit der Jägermentalität herausplatzte. Womöglich wollte er exakt das Bild evozieren, das bei der Leserschaft auch ankam, nämlich Sewing, wie er früh morgens im Pirschversteck liegt, Hut tief ins Gesicht gezogen, Repetierer im Anschlag, und nach einem kapitalen Hirsch Ausschau hält - und das, obwohl er nicht mal Investmentbanker war!

Dabei wünschen wir ihm nun einen "guten Anblick", wie es in der Jägersprache heißt, und ab und zu sollte er vielleicht auch mal treffen, sonst ergeht es ihm wie Maik Walpurgis.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2018
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