Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:"Vom Kunden missbraucht"

Lesezeit: 3 min

Für ihre "Russland-Affäre" muss die Deutsche Bank zwar eine niedrigere Strafe bezahlen als ursprünglich befürchtet. Die angelsächsischen Finanzbehörden kritisieren aber die laxe Geldwäsche-Kontrolle des Geldhauses.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Oligarchen, Geldwäscheverdacht und Mitarbeiter, die sich nach Fernost absetzten: Unter den rund 7000 Rechtsstreitigkeiten, in welche die Deutsche Bank seit der Finanzkrise verstrickt ist, hatte die so genannte "Russland-Affäre" nicht nur den meisten Glamour zu bieten. Sie galt neben dem Streit um US-Hypotheken, den die Bank kurz vor Weihnachten abarbeiten konnte, auch als einer der beiden gefährlichsten Fälle: Der wohl brisanteste Aspekt lag darin, dass die Strafe für die Geschäfte mangels Vergleichsfällen kaum zu kalkulieren war. Die Schätzungen reichten von wenigen hundert Millionen bis hin zu mehreren Milliarden Euro Strafe. In der Russland-Affäre sei die Deutsche Bank "finanziell verwundbar", musste Bankchef John Cryan bereits 2015 zugeben.

Nun, rund zwei Jahre nach Beginn der Ermittlungen, gibt es Entwarnung: Wie die Deutsche Bank am Dienstagmorgen mitteilte, müssen die Frankfurter für die "Russland-Affäre" insgesamt umgerechnet 587 Millionen Euro an zwei Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien zahlen. Die Amerikaner kassieren 397 Millionen Euro, die Briten 190 Millionen. Die Summe sei von den vorhandenen Rückstellungen für Rechtsrisiken weitgehend abgedeckt. Von der britischen Finanzaufsicht FCA habe die Bank zudem einen Nachlass von 30 Prozent erhalten, weil sie sich in einem frühen Stadium zu einem Vergleich bereit erklärt habe. Sowohl die britischen als auch die US-Behörden hätten festgestellt, dass die Bank ihre Geldwäsche-Kontrollen verbessert haben. Auf Geheiß der Amerikaner wurde für bis zu zwei Jahre ein unabhängiger Prüfer eingesetzt.

Anders als die vielen anderen Rechtsstreitigkeiten liegt die "Russland-Affäre" indes nur wenig Jahre zurück. Sie fällt damit in eine Zeit, in welcher der Aufsichtsrat unter Paul Achleitner bereits eine Art Kulturwandel für die Bank ausgerufen hatte, um zu verhindern, dass sich die zahlreichen Skandale aus der Vorfinanzkrisenzeit wiederholen: Von 2011 bis 2015 hatten Mitarbeiter in Moskau reichen Russen geholfen, über komplizierte Aktiengeschäfte etwa zehn Milliarden Dollar ins Ausland zu schleusen. Da der Dollar betroffen war, schalteten sich auch die US-Behörden ein.

Auf Warnungen reagierte die Bank nicht. Der zuständige Manager hatte "zu viel zu tun"

In diesem Zusammenhang soll die Bank außerdem mit mehreren russischen Kunden Geschäfte gemacht haben, die 2014 nach der Krim-Annexion durch Russland mit internationalen Sanktionen belegt worden waren. Berichten der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge sollen Guthaben auf mehreren der in Rede stehenden Konten Vertrauten von Präsident Wladimir Putin gehört haben. Als die dubiosen Geschäfte bekannt wurden, suspendierte die Deutsche Bank zunächst ihren Chefhändler in Russland, der kurz darauf nach Asien verschwand. Außerdem stellte sie ihr Investmentbanking in Russland ein und tauschte die Führung der Banktochter aus.

Nach Ansicht der New Yorker Finanzaufsicht DFS hatte die Deutsche Bank zuvor jedoch zahlreiche Gelegenheiten verpasst, die krummen Geschäfte in Russland aufzudecken, zu untersuchen und zu stoppen. Dabei habe sie frühzeitig gewusst, dass sie großen Nachholbedarf hatte, was die Einhaltung von Vorschriften betreffe, sagte DFS-Chefin Maria Vullo. Selbst als eine andere europäische Bank die Frankfurter Kollegen auf widersprüchliche Informationen zu einem Kunden hinwies, habe die Bank nicht reagiert und das später damit entschuldigt, dass der zuständige Manager zu viel zu tun gehabt habe. Erst Ende 2014 - später als andere Institute - habe die Bank Russland als Risiko-Land eingestuft. Auch die britische Aufsicht kritisierte die Bank für ihre laxen Geldwäsche-Kontrollen.

So lange das US-Justizministerium noch ermittelt, gibt es keine vollständige Entwarnung

Da dem Institut selbst aber offenbar weder Geldwäsche noch der Bruch von Sanktionen nachgewiesen werden konnte, sondern die Bank mangels Kontrollen eher von Kunden missbraucht wurde, fiel die Strafe niedriger aus als befürchtet. Ermittelt hatte auch die deutsche Finanzaufsicht, die zu ähnlichen Schlüssen kam wie die angelsächsischen Behörden, jedoch keine derart hohen Strafen verhängen kann.

Vollständige Entwarnung kann die Bank jedoch noch nicht geben. Denn nach wie vor laufen dazu Untersuchungen des US-Justizministeriums, deren Ausgang noch offen ist. Wie bei den anderen Vergehen seit der Finanzkrise, welche die Bank insgesamt schon mehr als zwölf Milliarden Euro gekostet haben, gelobte die Bank auch diesmal Besserung. "Wir bauen die Geldwäsche-Überwachung und entsprechende Schulungen kontinuierlich aus", schrieb Rechtsvorstand Karl von Rohr in einem Brief an die rund 100 000 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr habe man das Personal in der Abteilung, die Finanzkriminalität verhindern soll, um 30 Prozent aufgestockt. Außerdem habe die Bank nun 100 Länder anstatt wie früher nur 30 als Risikoländer eingestuft. Kunden werden dort näher auf Geldwäsche überprüft. Am Aktienmarkt kamen die Nachrichten gut an. "Mit diesem Vergleich hat die Deutsche Bank einen weiteren wichtigen Schritt zur Bewältigung vieler noch offener Rechtsfälle gemacht", sagte Analystin Corinna Dröse von der DZ Bank.

Wie geplant, kann Cryan den Russland-Skandal nun zudem in das abgelaufene Geschäftsjahr buchen, das wegen der Strafe für den US-Hypothekenskandal in Höhe von 7,2 Milliarden Dollar und der Kosten des Konzernumbaus ohnehin als Sanierungsjahr abgeschrieben war. Wie hoch der Verlust 2016 ausfallen wird, berichtet die Bank am Donnerstag.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2017
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