Süddeutsche Zeitung

Deutsche-Bank-Prozess:Breuer spricht von "Verfolgungen"

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Aus dem Gericht von Klaus Ott

Breuer will mit Legendenbildung aufräumen

Drei Monate hat Rolf Breuer geschwiegen. Hat auf Anraten seiner Verteidiger abgewartet, wie sich der Prozess beim Landgericht München gegen ihn und weitere, meist ehemalige Spitzenleute der Deutschen Bank entwickelt. Jetzt redet Breuer, der ehemalige Chef des Geldinstituts. Er habe "keine Hintergedanken" gehabt, sagt der Ruheständler über sein legendäres TV-Interview vom 3. Februar 2002 über den damaligen Deutsche-Bank-Kunden Leo Kirch, der wenig später mit seinem Film- und Fernsehimperium pleiteging. "Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, durch ein Interview einen Kunden der Bank zu schädigen", sagt Breuer.

Was der Banker vor dreizehneinhalb Jahren im Fernsehen erklärte, hat eine Welle von Prozessen ausgelöst, hat das Geldinstitut 925 Millionen Euro Schadensersatz für die Erben und Gläubiger des inzwischen verstorbenen Kirch gekostet, und hat Breuer auf die Anklagebank gebracht. Zusammen mit seinen Nachfolgern Josef Ackermann und Jürgen Fitschen, einem der beiden heutigen Chefs der Bank, und zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern. Sie sollen versucht haben, mit falschen Angaben beim Oberlandesgericht (OLG) München den einstigen Kreditkunden Kirch um den von diesem behaupteten Schadensersatzanspruch zu bringen. Die Anklage lautet auf versuchten Prozessbetrug.

Breuer hat Kirchs Vorwurf, von der eigenen Bank hintergangen worden zu sein, immer zurückgewiesen. Jetzt spricht der frühere Bankchef erstmals im Strafprozess gegen ihn. Und versucht, mit einer Art Legendenbildung aufzuräumen, die aus seiner Sicht nach dem TV-Interview entstanden sei. Das Wort Legendenbildung benutzt Breuer nicht, aber sinngemäß entspricht das seinen Angaben. Der ehemalige Bankchef erklärt, bei dem Interview mit dem Sender Bloomberg TV in New York sei "unerwartet" nach der Lage der Kirch-Gruppe gefragt worden. Das Medienimperium befand sich damals finanziell in großer Not, viel hing vom Verhalten der Hausbanken ab, zu denen auch die Deutsche Bank gehörte. Wie die sich verhalten würde, war besonders bedeutsam.

Richter spricht das Bankgeheimnis an

In dieser Lage, erklärt Breuer nun vor Gericht, habe er sich auf das beschränken wollen, was öffentlich bekannt gewesen sei. "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen", antwortete der Bankchef bei Bloomberg auf die Frage nach Kirch. Er habe die "öffentliche Wahrnehmung" wiedergeben wollen, sagt Breuer bei Gericht. Er habe "keine Signale" aussenden wollen. Und er habe es damals "nicht im Ansatz für möglich gehalten", dass daraus jene "Verfolgungen" entstünden, denen er seit dieser Zeit ausgesetzt sei.

Kirch fühlte sich nach dem TV-Interview von Breuer und der Bank verraten und verkauft. "Erschossen hat mich der Rolf", sagte der Medienmagnat nach seiner Pleite. Die Deutsche Bank, so der Vorwurf, habe ihn mit dem Interview unter Druck setzen wollen, um das Film- und Fernsehimperium anschließend zerschlagen und daran kräftig verdienen zu können. Das OLG München folgte dieser These und verurteilte das Geldinstitut wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung grundsätzlich zu Schadensersatz. Die Bank zahlte schließlich, was Breuer für falsch hält. Die Schadensersatz-These des OLG sei "völlig abwegig", sagt er jetzt vor Gericht.

Peter Noll, der Vorsitzende der fünften Strafkammer, bei der die Banker auf der Anklagebank sitzen, hakt allerdings nach, in Anspielung auf das Bankgeheimnis. Selbst wenn man annehme, Breuer habe die Wahrheit über Kirch gesagt, bleibe möglicherweise noch ein Problem. "Sie dürfen ja auch die Wahrheit nicht unbedingt weitersagen." Ob ihm, Breuer, denn nicht klar sei, dass auch die Wahrheit, an der falschen Stelle und gegenüber den falschen Leuten geäußert, ein "Lapsus" sein könne? Und warum Breuer auf die Frage nach Kirch nicht völlig unverfänglich geäußert habe, man werde sehen?

Breuers Antwort: "Ich habe einen anderen Weg gesucht, indem ich mich auf das Medienumfeld bezogen habe." Dass sein TV-Interview brisant werden könne, habe er erst Tage später erkannt, als die Presse angefangen habe, die Interview-Äußerungen als brisant zu betrachten. "Ich war überrascht." Bestimmte Presseorgane, die waren nach Ansicht von Ackermanns Verteidigern dann schuld an dem Malheur. Ackermanns Verteidiger springen vor Gericht Breuer bei und erklären, Bloomberg und die FTD hätten das "unspektakuläre" Interview verfälscht, hätten es ins Gegenteil verkehrt und berichtet, nach Breuers Angaben wollten die Banken Kirch keine Kredite mehr geben. Dabei habe Breuer doch nur wiedergegeben, was die Medien damals über Kirch berichtet hätten.

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