Süddeutsche Zeitung

Deutsche-Bank-Prozess:Der Apfel-Moment

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Von Stephan Radomsky, München

"Das war das Ende", sagt Michael Storfner, als das Video vorbei ist, und er ist dabei unfreiwillig doppeldeutig. Es geht um ein Fernseh-Interview. Eines, das Storfner selbst geführt hat, mit Rolf-Ernst Breuer. Die Aufzeichnung datiert vom 3. Februar 2002, Breuer war da noch Chef der Deutschen Bank. Dass sich heute überhaupt noch jemand dafür interessiert, liegt an der Brisanz seiner Aussagen: Mit ihnen trug Breuer wohl zur Insolvenz des Medienkonzerns von Leo Kirch kurze Zeit später bei. Storfner soll nun klären helfen, ob das Absicht war.

In der alten Aufnahme ist Breuer entspannt. Er ist jovial und beredt, gemessen in Worten und Tonfall. Ganz im Gegensatz zu dem Rolf-Ernst Breuer, der heute gegenüber dem Bildschirm auf der Anklagebank sitzt und sich schweigend und verkniffen zum x-ten Mal das alte Video ansieht. Mit seinen Aussagen von damals setzte er eine ganze Kaskade von Prozessen in Gang, bis hin zum derzeit laufenden Strafprozess wegen versuchten Prozessbetrugs gegen ihn und vier weitere Top-Banker, darunter sein Nachfolger als Bankchef Josef Ackermann und dessen Nachfolger, der amtierende Co-Chef Jürgen Fitschen.

Sollte Kirch finanziell bedrängt werden?

Was Breuer da dem Wirtschaftsnachrichten-Sender Bloomberg TV sagte, war zumindest ein schwerer Schlag für Kirch: "Es ist nie schön, wenn ein Schuldner in Schwierigkeiten kommt, und ich hoffe, das ist nicht der Fall." Ob man Kirch, der ja auch Kunde der Deutschen Bank war, denn helfen werde, weiterzumachen, will Storfner wissen - und der Bankchef antwortet ungewöhnlich offenherzig: "Das halte ich für relativ fraglich." Alles was man darüber lesen und hören könne, sei ja, dass der Finanzsektor nicht bereit sei, Kirch "auf unveränderter Basis" weiter Geld zu geben. "Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine, wie Sie gesagt haben, Stützung interessieren" - also mögliche Käufer für Teile des Konzerns. Die Frage, um die sich seitdem letztlich alles dreht, ist, ob Breuer und die Deutsche Bank Kirch mit dem Interview dazu drängen wollten, ihr den Auftrag für ebendiese Zerschlagung zu erteilen.

Wenn ja, wäre das Breuer-Interview so etwas wie der Apfel-Moment in diesem schier endlosen Kampf zwischen der Deutschen Bank und ihren Managern einerseits und Kirch, seinen Erben und der Staatsanwaltschaft andererseits. Die Ursünde.

Nur hat es sie wirklich so gegeben? Die Ankläger glauben, Breuer wollte Kirch finanziell in die Ecke drängen. Die Bank und ihre Manager bestreiten das. Im Zivilverfahren war das Kreditinstitut letztlich unterlegen und hatte sich außergerichtlich mit Kirchs Erben auf 925 Millionen Euro Schadenersatz geeinigt. Nun stehen die Manager wegen versuchten Prozessbetrugs in diesem Verfahren vor Gericht. Deshalb wollen die Verteidiger nach wie vor zeigen, dass die Deutsche Bank nie einen Auftrag von Kirch wollte und Breuer seine Aussagen ohne Hintergedanken machte. Das Kalkül: Wenn der damalige Bankchef gar nicht willentlich in den allegorischen Apfel gebissen hat, dann wäre auch die gesamte Anklage hinfällig.

Interviewer Storfner stützt diese Darstellung: "Mein Eindruck war, das war spontan", sagt er rückblickend über Breuers Antworten. Das Thema Kirch sei vorab weder mit der Redaktion in Deutschland noch mit der Deutschen Bank abgesprochen gewesen. Er sei bei der Vorbereitung des Gesprächs zufällig darauf gestoßen und habe die Tragweite von Breuers Antworten dann "total falsch bewertet" und völlig unterschätzt, sagt Storfner. "Oder auch nicht", kommt es prompt von einem der Verteidiger. Nach deren Meinung müsste man längst nicht mehr über ein so altes Video reden.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2015
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