Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Die Macht im Hintergrund

Lesezeit: 3 min

Dem früheren Deutsch-Banker Michele Faissola droht in Italien eine Gefängnisstrafe. Bis heute hat er Einfluss auf das Frankfurter Institut.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Michele Faissola gilt als einer der mächtigsten und geheimnisvollsten Banker Europas. Bei der Deutschen Bank zählte er zur sogenannten "Armee" von Anshu Jain, dem langjährigen Starhändler des Konzerns und späteren Vorstandschef, dann rückte er selbst in den Vorstand auf. 2015 musste Faissola die Deutsche Bank zwar auf Druck der deutschen Finanzaufsicht verlassen. Seither aber berät er - ausgerechnet - die ehemaligen Herrscher des Emirats Katar, die sich mit ihren Ölmilliarden seit Jahren an europäische Unternehmen beteiligen, darunter auch an Faissolas Ex-Arbeitgeber Deutsche Bank. Zum Ärger vieler in den Frankfurter Doppeltürmen ist der Italiener, geboren 1968 in Sanremo, damit immer noch verstrickt in den Kampf um Macht und Einfluss bei Deutschlands größter Bank.

Die vielleicht ominöseste Episode seines bisherigen Berufslebens aber spielte bei dem toskanischen Geldhaus Monte dei Paschi di Siena: Die Bank wurde 1472 gegründet, kurz nach Erfindung des modernen Buchdrucks; sie ist das älteste Kreditinstitut der Welt. In der Finanzkrise hatte sich das ehemalige Vorzeigeinstitut, seinerzeit die drittgrößte Bank Italiens, verspekuliert und hätte staatlich gerettet werden müssen. Auf wundersame Weise aber gesundete die Bank damals wieder, nur um viele Jahre später wieder Probleme zu bekommen. Bei dieser Rettung spielte Faissola, der damals noch in den Diensten der Deutschen Bank stand, eine zentrale Rolle - für die er nun, zehn Jahre nach der Rettung, womöglich ins Gefängnis muss. Am Freitag vergangener Woche jedenfalls verurteilte ein Gericht in Mailand ihn und zwölf andere Banker wegen Bilanzfälschung zu mehreren Jahren Gefängnis. Vier Jahre und acht Monate lautete das Urteil für Faissola, das allerdings noch längst nicht rechtskräftig ist.

Der Fall geht zurück auf die Jahre 2002 bis 2008, kam aber erst 2013 nach Recherchen der italienischen und deutschen Bankenaufsicht heraus und landete dann vor Gericht. Nach Meinung der italienischen Strafverfolger gab es 2008 einen illegalen Plan von Bankern von Deutscher Bank, Monte dei Paschi sowie der japanischen Bank Nomura, Verluste in Höhe von rund 370 Millionen Euro zu verschleiern. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat akribisch nachgezeichnet, wie die Deutsche Bank damals die Verluste des Kunden Monte dei Paschi verschwinden ließ. Der Clou war ein Derivategeschäft zwischen den beiden Banken, bei dem die Italiener ihre Verluste mit einem Schlag der Deutschen Bank übertragen konnten - natürlich nicht umsonst, sondern gegen Gebühren von insgesamt 60 Millionen Euro, Sicherheiten und das Versprechen, das Geld die Jahre darauf "zurückzuzahlen". Ein Geschäft ohne jeden ökonomischen Nutzen, allein bilanzieller Natur. Illegale Bilanzfälschung war das, sagt nun das Gericht in Mailand. Alles ganz legal, sagen die Verteidiger der Angeklagten. Auch die Deutsche Bank nahm das Geschäft damals übrigens nicht in der Bilanz auf, weswegen der Vorgang nicht nur ein italienischer Bankenskandal ist, sondern auch einmal mehr zeigt, warum das Vertrauen der Finanzmärkte in die Deutsche Bank bis heute nicht wieder vollständig hergestellt ist.

Michele Faissola wird bis heute großer Einfluss auf die Deutsche Bank nachgesagt

Offenbar hatte bei den Frankfurtern damals nur ein Mitarbeiter wirklich Bedenken wegen des Geschäfts: William Broeksmit, seinerzeit hochrangiger Mitarbeiter der Risikoabteilung, ein Kenner komplizierter Finanzinstrumente. Die Transaktion berge Reputations-Risiken, ließ er Faissola wissen. "Wir sollten das Geschäft Anshu vorlegen", schrieb er laut Bloomberg in einer E-Mail an Faissola. Ob das geschehen ist, konnte aber weder das Gericht, noch die Finanzaufsicht erhellen. Anshu Jain sagte damals, er sei in das Geschäft nie eingebunden gewesen. Als Jain 2012 Vorstandschef wurde, wollte er Broeksmit dennoch zum Risikovorstand befördern, was die Finanzaufsicht Bafin jedoch mit Verweis auf die fehlende Führungserfahrung ablehnte. Broeksmit, der 2013 in Rente ging, konnte später nicht mehr von der Aufsicht zu den Geschäften befragt werden. Er wurde im Januar 2014 erhängt in seiner Wohnung in London gefunden, neben sich ein Abschiedsbrief an Anshu Jain.

Heute hat Faissola immer noch Einfluss darauf, welche strategischen Volten das Geldhaus nimmt. Als Vermögensberater der katarischen Herrscherfamilie Al-Thani soll es zum Beispiel auf ihn zurückgehen, dass die Bank so lange am überdimensionalen Investmentbanking festhielt. Auch in der derzeitigen Bankführung ist er vernetzt: Der neue designierte Rechtsvorstand der Bank, Stefan Simon, der den Kataris ebenfalls nahestand, war Faissolas Zeugenbeistand im Libor-Fall, der Manipulation von Zinsen. Noch heute also hat Faissola womöglich mehr zu sagen bei der Deutschen Bank als jeder andere Ex-Manager des Geldhauses.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4678470
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.