Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn: Debatte um Schienennetz:Politiker ohne Mumm

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Die Bahn darf ihr Schienennetz offenbar doch behalten - denn auch die neue Regierung kneift vor den Interessen des Konzerns und der Gewerkschaften.

Daniela Kuhr

Union und FDP wollen beim Börsengang der Bahn nichts überstürzen. Das hat die Arbeitsgruppe Verkehr beschlossen, und es ist eine beruhigende Nachricht. Denn unabhängig vom grundsätzlichen Sinn oder Unsinn dieses Vorhabens besteht - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - überhaupt kein Anlass, das Projekt mit Druck voranzutreiben.

Die Wirtschaft steckt in einer schweren Krise. Niemand kann sagen, welche Folgen sie noch haben, geschweige denn, wie lange sie noch dauern wird. Ein Börsengang jetzt käme einer Verschleuderung von Staatseigentum gleich. Doch nicht nur das Umfeld ist schwierig, auch die Bahn selbst steht alles andere als gut da. Datenskandal, Materialfehler bei ICE-Achsen und mangelhafte Wartungen bei der Berliner-S-Bahn - in den vergangenen Monaten schien eine schlechte Nachricht die nächste abzulösen.

Zudem ist der Güterverkehr eingebrochen, was die Bahn auf Jahre hinaus belasten wird. Das Interesse der Investoren an dem Unternehmen dürfte daher einstweilen äußerst gering sein. Wenn Union und FDP jetzt entschieden haben, den Börsengang nicht zwangsläufig noch in dieser Wahlperiode zu erledigen, ist das also nur vernünftig.

Verheerend ist ein anderer Punkt, auf den man sich geeinigt hat: Zwar soll die Unabhängigkeit von Netz und Transportsparten gestärkt werden, der Bahnkonzern aber soll in seiner gegenwärtigen Form erhalten bleiben. Statt also das Schienennetz endlich in die alleinige Verantwortung des Bundes zu legen, bleibt es zusammen mit den Transportsparten unter einem Dach vereint. Dabei hatten FDP und auch Teile der Union stets dafür plädiert, den Konzern aufzuspalten. Und das zu Recht: Der wichtigste Hebel für mehr Wettbewerb ist die Trennung von Schienennetz und Transportsparten.

Denn auch wenn die Bahn das leugnet: Natürlich wirkt es auf Wettbewerber abschreckend, wenn ihr größter Konkurrent entscheidet, wann und zu welchen Kosten sie Zugang zum Schienennetz bekommen. Das System ist zu intransparent, um von wirksamer Kontrolle durch die Bundesnetzagentur zu sprechen. Deshalb ist es nur logisch, wenn Monopol- und EU-Kommission mehr Unabhängigkeit fordern, damit die Bahn Wettbewerber nicht benachteiligen kann.

Union und FDP sind eingeknickt. Das lässt Böses ahnen. Offenbar fehlt auch dieser Koalition der Mumm, sich durchzusetzen: gegen Bahn und Gewerkschaften - für einen funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2009/gits
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