Süddeutsche Zeitung

Curevac:Impfstoff für alle

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Das Biotech-Unternehmen Curevac erteilt Präsident Trump eine Absage und weckt Hoffnungen auf eine schnelle Impfung gegen Corona.

Von Elisabeth Dostert und Stefan Mayr, Tübingen/München

In der künftigen Zentrale des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac haben die Handwerker das Sagen. Ein großer Lastenaufzug wuchtet am Montagvormittag Büromöbel in den dritten Stock, im Erdgeschoss werkeln Elektriker an Kabelsträngen. In wenigen Wochen werden in den drei fünfgeschossigen Neubauten auf einem Hügel der schwäbischen Universitätsstadt Büros, Labore und Produktionsstätten einziehen. Und bald könnte hier ein Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus hergestellt werden, auf den die ganze Welt sehnlichst wartet. Im Idealfall könnte das begehrte Mittel schon im Herbst verfügbar sein, kündigte Dietmar Hopp, der Mäzen des Fußball-Bundesligaklubs TSG 1899 Hoffenheim, am Montag im TV-Sender Sport 1 an. Der Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP ist über seine Beteiligungsgesellschaft Dievini Mehrheitsaktionär von Curevac. Wann genau ein Impfstoff verfügbar sei, hänge vom Paul-Ehrlich-Institut ab. Das Institut ist für die klinischen Studien von Impfstoffen zuständig. Es rechne im Sommer mit ersten klinischen Studien, so eine Sprecherin. Bis zu einer Zulassung ist es dann immer noch ein langer Weg.

Die EU bot Curevac einen Kredit von bis zu 80 Millionen Euro an, um die Entwicklung und Produktion eines Impfstoffs gegen das Coronavirus in Europa zu beschleunigen.

In dem Interview äußert sich Hopp auch zur Absage an US-Präsident Donald Trump, der angeblich eine Milliarde Dollar für die Exklusivrechte an dem Impfstoff zahlen wollte. "Es kann gar nicht sein, dass eine deutsche Firma den Impfstoff entwickelt und dieser in den USA exklusiv genutzt wird", sagte Hopp: "Das war für mich keine Option." Er persönlich habe nicht mit Trump gesprochen. "Er hat mit der Firma gesprochen und man hat mir das dann sofort gesagt und gefragt, was ich davon halte, und ich wusste sofort, dass das nicht infrage kommt", versicherte Hopp.

Anfang März saß Daniel Menichella, damals noch Vorstandschef von Curevac, mit anderen Pharma-Managern im Weißen Haus, um mit Trump über den Impfstoff und Strategien gegen Covid-19 zu reden. Ein paar Tage später war Menichella seinen Posten los. Seit Mittwoch ist Mitgründer Ingmar Hoerr wieder Vorstandschef. Aber er könne, wie das Unternehmen am Abend mitteilte, aus gesundheitlichen Gründen sein Amt "für eine gewisse Zeit" nicht ausüben.

Seine Abwesenheit sei nicht durch das Coronavirus bedingt, lässt das Unternehmen wissen. Hoerrs Rolle in der Firma werde sein Stellvertreter Franz-Werner Haas übernehmen. Dietmar Hopp gilt als einer der reichsten Deutschen. Auf die Frage, ob der Erfolg beim Impfstoff eine Genugtuung für ihn wäre, antwortete Hopp: "Mir kommt es nicht darauf an, wie ich dastehe, mir ist es wichtig, dass die Firma belohnt wird für 15 Jahre Malochen in der Forschung." Man habe auch Rückschläge erleiden müssen. "Ich habe nie an dem Team gezweifelt, habe diese Leute finanziert und das ist ein gutes Gefühl." Noch macht Curevac Verluste. Laut Jahresabschluss 2018 betrug der Fehlbetrag 74 Millionen Euro - bei einem Umsatz von 12,6 Millionen Euro. Curevac wurde 2000 von Forschern der Uni Tübingen gegründet. Hopp stieg 2005 über Dievini ein, die Gesellschaft hält mehr als 80 Prozent der Anteile. Noch sitzt das Unternehmen mit anderen Firmen im Biotechnologiezentrum Tübingen. Das Personal hat sich seit 2017 auf 460 nahezu verdoppelt. Viele Mitarbeiter sitzen auf drei Etagen verteilt in 40 Büro-Containern. Einer der Neubauten wird eine neue Produktionsstätte sein.

"Wir produzieren ausschließlich in Tübingen und das wird auch so bleiben", sagt der Sprecher. Um die Entwicklung eines Impfstoffes ist ein Wettlauf entbrannt. Nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) sind inzwischen mindestens 39 Impfstoffprojekte angelaufen. Das Mainzer Unternehmen Biontech erhält bis zu 120 Millionen Euro vom chinesischen Arzneimittelhersteller Fosun Pharma, um die Entwicklung voranzutreiben. Zudem erwirbt Fosun für 44 Millionen Euro Aktien an dem Unternehmen. Biontech bleibe aber unabhängig, betonte eine Sprecherin. Die Aktienmehrheit liege bei den Pharmaunternehmern Thomas und Andreas Strüngmann. Fosun halte künftig weniger als ein Prozent an Biontech, so die Sprecherin. Die Rechte am Impfstoff außerhalb Chinas behalte Biontech. Noch im März will das US-Biotechunternehmen Moderna, das mit dem amerikanischen National Institutes of Health (NIH) zusammenarbeitet, seinen Impfstoff erstmals in klinischen Studien an 45 Menschen in Seattle erproben. Biontech und das US-Unternehmen Inovio haben erste klinische Studien für den April angekündigt. Curevac will nach eigenen Angaben bis Juli soweit sein.

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SZ vom 17.03.2020
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