Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:Überraschender Doppel-Rücktritt

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Nicht nur der Vorstandsvorsitzende, sondern auch der Aufsichtsratschef der Commerzbank kündigen ihren Rücktritt an. Zuvor gab es in dem Geldhaus Streit um den anstehenden Umbau.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Nach zuletzt heftigen Vorwürfen eines Großaktionärs haben sowohl Vorstands- als auch Aufsichtsratschef der Commerzbank am Freitagabend überraschend ihren Rücktritt angeboten. Der Aufsichtsrat wolle in seiner Sitzung am 8. Juli 2020 über das Angebot von Vorstandschef Martin Zielke entscheiden, teilte die Commerzbank mit. Zugleich gab auch der Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Schmittmann seinen Rücktritt aus dem Kontrollgremium zum 3. August bekannt. Zielke ließ sich in einer Pressemitteilung mit den Worten zitieren, er wolle "den Weg für einen Neuanfang freimachen". Die Bank brauche eine tief greifende Transformation und dafür einen neuen Vorstandschef, der vom Kapitalmarkt auch die Zeit für die Umsetzung einer Strategie bekäme.

Nach der Pleite des Aschheimer Zahlungsdienstleisters Wirecard ist der Doppelrücktritt bei der Commerzbank ein weiterer Schlag für den Finanzstandort Deutschland. Es ist höchst ungewöhnlich, dass Vorstandschef und Aufsichtsratschef gleichzeitig ihr Amt niederlegen. Ob die Bank nun im Führungschaos versinkt, hängt davon ab, wie schnell gute Nachfolger gefunden werden. Dem vorausgegangen war wachsender Unmut der Aktionäre über den von Zielke und Schmittmann vorangetriebenen Umbau der Bank. Allen voran der US-Fonds Cerberus, der mit mindestens fünf Prozent beteiligt ist, hatte die Commerzbank-Führung vor wenigen Wochen hart kritisiert und zwei Posten im Aufsichtsrat gefordert. Dem Vernehmen nach war man bei Cerberus nun aber überrascht über den plötzlichen Rücktritt. Man habe sich einen geordneteren Übergang gewünscht.

Nach den gescheiterten Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank im Frühjahr 2019 - welche Zielke befürwortet hatte - hatte er im Herbst 2019 eine neue Strategie vorgestellt. Doch Aktionäre und sogar die Bankaufseher hatten die neuen Ziele als zu wenig ambitioniert kritisiert. Nicht nur den Aktionären ist in der Regel eine auskömmliche Rendite wichtig, auch die Aufseher erwarten stabile Gewinne, damit eine Bank stets genug Rücklagen für den Ernstfall bilden kann. Zielke, der seit 2016 an der Spitze der Commerzbank steht, hatte seine Ziele immer als "realistisch" verteidigt, nachdem die Bank mehrere Ziele ihrer alten Strategie verfehlt hatte. Schmittmann führte den Aufsichtsrat erst seit 2018 an. Auch der Bund - mit 15,6 Prozent größter Aktionär des Geldhauses - war unzufrieden und hatte im vergangenen Jahr sogar eine Unternehmensberatung damit beauftragt, die Strategie der Commerzbank zu überprüfen.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, man nehme die Entscheidung "mit Bedauern zur Kenntnis". Zielke und Schmittmann hätten sich große Verdienste um den Finanzstandort Deutschland erworben. Man sei dankbar, dass beide bereit seien, den Übergang mit zu begleiten. Der Bund stehe hinter seinem Engagement bei der Commerzbank, die zentral sei für die Mittelstandsfinanzierung.

Ein weiterer Stellenabbau sowie die Schließung von Filialen scheint dennoch unausweichlich. Seit Monaten hatte die Commerzbank-Spitze bereits an neuen Plänen gearbeitet, die sie spätestens mit den Zahlen zum zweiten Quartal Anfang August präsentieren will. Dem Vernehmen nach ist der Abbau von weiteren 7000 Stellen in der Diskussion, die zu der bereits im vergangenen Herbst angekündigten Streichung von 4300 Arbeitsplätzen bis 2023 hinzukämen. Damit wäre jede vierte Stelle in Gefahr. Eigentlich wollte der Aufsichtsrat die Pläne bereits auf einer Sitzung in dieser Woche vorangetrieben haben. Auf Antrag der Arbeitnehmervertreter war die Sitzung jedoch plötzlich verschoben worden.

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SZ vom 04.07.2020
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