Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:"Die Beschäftigten vor den Kopf gestoßen"

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Verdi-Vertreter und Aufsichtsrat äußern harsche Kritik an den Sparplänen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Der Brief, den der neue Commerzbank-Chef Manfred Knof am Donnerstagnachmittag an die Belegschaft schickte, klang freundlich und endete mit "euer Manfred". Die Botschaft indes war weniger erfreulich. "Wir planen, brutto rund 10 000 Vollzeitstellen abzubauen", schrieb Knof, seit Jahresanfang Vorstandschef des Geldhauses. "Das ist hart. Alle Einheiten der Bank werden einen Beitrag leisten müssen. Ihr könnt mir glauben, auch ich hätte mir einen anderen Weg gewünscht." Der Vorstand werde alles dafür tun, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Gewünscht hatte sich Knof wohl auch nicht, dass Teile des Strategieentwurfs am Donnerstag an die Presse gelangt waren, weshalb sich die Commerzbank offenbar gezwungen fühlte, die Eckpunkte sofort per Ad-hoc-Meldung zu veröffentlichen. Dazu sind börsennotierte Unternehmen einerseits verpflichtet, wenn zu viele Details nach außen dringen. Andererseits schaffen sie damit auch gerne Fakten, bevor etwa der Aufsichtsrat darüber diskutieren oder befinden kann. Bei der Commerzbank hat das gewissermaßen Tradition: Vor fast jeder Strategieänderung schickte das Institut in den vergangenen Jahren eine Pflichtmitteilung heraus, weil Eckpunkte durchgesickert waren.

Rein formal muss der Aufsichtsrat die aktuellen Pläne offenbar nur zur Kenntnis nehmen

Bei den Arbeitnehmervertretern kam dies jedenfalls gar nicht gut an. "Aus unserer Sicht war es vollkommen überflüssig, diese Ad-hoc-Meldung rauszugeben und die Beschäftigten derart vor den Kopf zu stoßen", sagte Stefan Wittmann, Verdi-Gewerkschaftssekretär und Aufsichtsrat der Commerzbank, der SZ. "Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden die Pläne daher nächste Woche zwar zur Kenntnis nehmen, aber sich nicht zustimmend äußern". Rein formal muss der Aufsichtsrat die aktuellen Pläne nur zur Kenntnis nehmen, aber nicht darüber entscheiden. Grundsätzlich trügen die Arbeitnehmer "das Zielbild" zwar mit. "Wir pochen aber darauf, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden", sagte Wittmann. Angesichts des hohen Durchschnittsalters der Mitarbeiter sei dies machbar, man müsse sich für den Stellenabbau allerdings bis 2025, also zwei Jahre mehr Zeit nehmen. Und natürlich gehe es zu weit, 10 000 Stellen abzubauen. Schließlich wolle die Bank digitaler werden, was Personal erfordere.

Betroffen ist konzernweit jeder dritte Arbeitsplatz. Zudem werde die Bank ihr Filialnetz von derzeit 790 auf nur noch 450 Standorte verkleinern und ihre digitalen Angebote für Kunden deutlich ausbauen. Profitabilität soll künftig vor Wachstum gehen, was sich auch in den Konditionen für Girokonten und Kredite zeigen dürfte. Nach SZ-Informationen sollen auch das Auslandsgeschäft sowie das Kapitalmarktgeschäft beschnitten werden. Es ist der fünfte Umbau des Geldhauses in zehn Jahren - und vermutlich auch die letzte Chance für die Bank, eigenständig zu bleiben.

Analyst Philipp Häßler vom Broker Pareto bezeichnete die Pläne gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters als "sehr ambitioniert". Er sei skeptisch, ob die Bank dies erreichen werde. Bereits frühere Renditeziele wurden nicht erfüllt. "Die Pläne der Commerzbank sind radikal, die geplante Mitarbeiterreduktion ist erschreckend hoch, aber leider wohl erforderlich, um eine höhere Profitabilität zu erreichen". Am 3. Februar stehen die Pläne auf der Tagesordnung einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung. Am 11. Februar will Knof die Pläne auf der Bilanzpressekonferenz erläutern. Nachdem die Aktien der Commerzbank am Donnerstag zunächst mit einem deutlichen Kursplus reagiert hatten, gaben die Papiere in einem schwachen Gesamtmarkt am Freitag wieder nach.

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