Süddeutsche Zeitung

Cerberus gegen Commerzbank-Vorstand:Fast jeder Satz ist eine Ohrfeige

Lesezeit: 3 min

Der US-Investor Cerberus attackiert den Commerzbank-Vorstand und stellt hohe Forderungen. Bekommt der Finanzinvestor nicht seinen Willen, droht er mit einer Aktionärsrevolte.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es ging Schlag auf Schlag, als der amerikanische Finanzinvestor Cerberus vor drei Jahren in den deutschen Bankenmarkt investierte. Erst kaufte der US-Investor fünf Prozent an Commerzbank, dann drei Prozent der Deutschen Bank, dann auch noch eine Landesbank und eine kleine Bank in Süddeutschland. In der hiesigen Finanzbranche kamen einige ins Grübeln: Verfügt Cerberus über Geheimwissen? Erkennen die Investoren mit dem Spitzennamen Höllenhund einfach nur Chancen im siechenden deutschen Bankenmarkt, die anderen verborgen bleiben?

Inzwischen aber ist klar: Zumindest mit den Investments bei Deutscher Bank und Commerzbank hat Cerberus bislang kein glückliches Händchen. Die von Cerberus befürwortete Fusion der beiden Geldhäuser blieb aus. Auch sonst hat sich bei beiden Instituten wenig zum Besseren gewandt, zumindest mit Blick auf die Aktienkurse, die sich seit dem Einstieg mehr als halbiert haben - für Cerberus dürfte ein Buchverlust von mehreren Hundert Millionen Euro in der Bilanz stehen, grob geschätzt.

Nun aber verlieren die Amerikaner die Geduld und erhöhen öffentlich den Druck - zumindest auf die Commerzbank. Womöglich auch, um sich von den eigenen Investoren nicht Untätigkeit vorwerfen zu lassen. In einem fünfseitigen Brief an den Aufsichtsrat, welcher der SZ und mehreren anderen Medien vorliegt, forderte Cerberus einen Kurswechsel und äußert seine Enttäuschung über das Management: "Die prekäre Situation der Commerzbank erfordert jetzt schnelles und entschlossenes Handeln." Es sei an der Zeit, neue Ideen und Energie einzubringen, damit das Institut in eine bessere Zukunft gehen könne. Und man sei "zutiefst beunruhigt", dass sich Vorstand und Aufsichtsrat weigerten, den Tatsachen ins Auge zu sehen und den Ernst der Lage zu erkennen. Sie hätten über Jahre eklatant versagt, angemessene Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Fast jeder Satz in dem Schreiben ist eine Ohrfeige.

In einem ersten Schritt verlangt Cerberus zwei Sitze im Aufsichtsrat. Das ist eigentlich etwas mehr, als einem Anteilseignern dieser Größe zusteht. Normalerweise erhalten Aktionäre erst von zehn Prozent an einen Sitz im Aufsichtsrat. Cerberus aber sieht offenbar keinen anderen Ausweg: Dies werde helfen, die dringenden Änderungen bei der Strategie anzugehen. Der Finanzinvestor gehe davon aus, dass sich seinen Forderungen weitere Anleger anschließen.

Sollte die Bank die Forderung nach den Aufsichtsratssitzen ablehnen, drohe eine Aktionärsrevolte, so Cerberus. Es dürfte das erste Mal sein, dass Cerberus als sogenannter aktivistischer Aktionär auftritt. Aktivistische Aktionäre nutzen in der Regel aggressive Kampagnen, um zum Beispiel aus ihrer Sicht unfähige Manager zu schassen. Bei der Aufsichtsratssitzung an diesem Mittwoch wird daher das fünfseitige Schreiben auf der Agenda stehen.

"Meinungsäußerungen von Aktionären - auch kritischer Art - nimmt die Bank sorgfältig auf."

Die Bank erklärte, ihr sei bewusst, dass die Entwicklung an der Börse nicht zufriedenstellend sei. "Meinungsäußerungen von Aktionären - auch kritischer Art - nimmt die Bank sorgfältig auf und wird diese auch künftig in interne Erörterungen und in den Dialog mit ihren Eigentümern einfließen lassen", teilt die Commerzbank mit.

Nicht nur Cerberus ist unzufrieden. Auch der Bund, der seit der Finanzkrise noch mit 15,6 Prozent an der Commerzbank beteiligt ist, verfolgt das Geschehen in Frankfurt seit einiger Zeit offenbar mit wachsender Sorge. Zumal wegen der Corona-Krise die Kreditausfälle deutlich zunehmen dürften. Im Herbst 2019 hatte der Bund die Unternehmensberatung Boston Consulting damit beauftragt, die Strategie der Commerzbank zu überprüfen - ein ungewöhnlicher Vorgang. Zeitgleich hatte sich die Commerzbank abermals eine neue Strategie verordnet hat, zum vierten Mal in zehn Jahren. Um endlich dauerhaft profitabel zu sein, wollte Vorstandschef Martin Zielke noch mehr Stellen streichen, die Tochterbank in Polen verkaufen und die Direktbank Comdirect integrieren. Damit sei man auf dem richtigen Weg, hatte er noch Mitte Februar auf der Bilanzpressekonferenz des Konzerns gesagt.

Während die Konkurrenz reihenweise Filialen schloss, hielt die Commerzbank am Netz fest

Womöglich aber muss Zielke nun dringend in einigen Punkten nacharbeiten. Den Verkauf der polnischen Tochter hat die Bank schon wieder verworfen. Die Berater von Boston Consulting empfehlen offenbar drastischere Maßnahmen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg im Februar schrieb, zum Beispiel weitere Filialschließungen. Zielke, der seit wenigen Wochen auch Präsident des Bankenverbandes ist, verfolgte lange einen Sonderweg: Während die Konkurrenz reihenweise Filialen schloss, hielt die Commerzbank am Netz fest und versuchte aggressiv, neue Kunden zu gewinnen.

Bei der Deutschen Bank verhält sich Cerberus indes ruhiger, zumindest öffentlich. Dort hatten die Amerikaner im Sommer 2018 einen ungewöhnlichen Beratungsvertrag abgeschlossen. Zum Beispiel dazu, wie die Bank ihre Liquidität effizienter verwalten soll. Wie die Deutsche Bank auf ihrer jüngsten Hauptversammlung auf die Frage eines Aktionärs mitteilte, bezahlte sie dem Beratungsarm von Cerberus dafür insgesamt rund 15 Millionen Euro. Seit Jahresanfang ist der Beratungsvertrag wieder gekündigt. Die Beratung sei strikt getrennt gewesen von Cerberus Tätigkeit als Investor. Außerdem sei die Bezahlung marktüblich gewesen, hatte die Bank mitgeteilt. Die Commerzbank hatte dem Vernehmen nach abgelehnt, sich von Cerberus beraten zu lassen.

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