Süddeutsche Zeitung

Burda-Chef:"Geld wird nur in den Oasen verdient"

Lesezeit: 4 min

Paul-Bernhard Kallen fordert eine harte Regulierung für Facebook und Youtube und erklärt, warum sein Unternehmen nicht wächst.

Interview von Caspar Busse

Seit 2010 ist Paul-Bernhard Kallen, 62, Vorstandsvorsitzender von Burda, einem der größten deutschen Medienunternehmen mit Zeitschriften wie Bunte und Focus und Beteiligungen an Internetfirmen wie Xing oder Holidaycheck. Er studierte Volkswirtschaftslehre, war zunächst bei der Beratungsfirma McKinsey und kam 1996 zu Burda. Kallen ist einer der größten Kritiker der großen amerikanischen Internetfirmen.

SZ: Herr Kallen, Mark Zuckerberg persönlich regt jetzt eine Regulierung von Facebook an. Damit ist alles gut, oder?

Paul-Bernhard Kallen: Nein, Mark Zuckerberg ist in der Rolle des Zauberlehrlings. Allein kommt er aus alldem, was er da angerichtet hat, nicht mehr raus.

Warum?

Facebook hat sich von einem Telekommunikations- zu einem sozialen Medienunternehmen entwickelt, das signifikant anders funktioniert als bisherige Massenmedien. Denn es werden unterschiedliche Nachrichten an unterschiedliche Nutzer versendet, das ist das Geschäftsmodell. Wir brauchen dringend Spielregeln, eine Regulierung, damit die sozialen Netzwerke nicht unsere Gesellschaft unterspülen.

Ist es wirklich schon so weit?

Ja, erste Anzeichen dafür gibt es definitiv. Es geht jedenfalls nicht, dass Plattformen wie Facebook keine Verantwortung für die Inhalte, die sie verbreiten, übernehmen. Mit sozialen Netzwerken steinreich werden und ansonsten jede Verantwortung ablehnen, das finde ich problematisch. Deshalb muss der Gesetzgeber jetzt tätig werden. In Brüssel läuft das bereits, Facebook ist aber sehr widerspenstig. Erst jetzt beschäftigt sich das Unternehmen mit der Einführung einer Datenbank, in der alle politischen Werbeaktionen einsehbar sind.

Kann Facebook sich nicht wie angekündigt selbst beschränken?

Nein, es braucht schlicht Vorschriften und deren Einhaltung. Selbstregulierung ist in diesem Fall ausgeschlossen. Facebook-Chef Zuckerberg ist seinen Aktionären verpflichtet, er wird das nicht ändern, denn solche Maßnahmen würden zulasten seines Geschäftes gehen.

Gerade wurde in Europa ein neues Urheberrecht für digitale Unternehmen verabschiedet. Reicht das nicht?

Das neue europäische Urheberrecht ist ein richtiger Schritt, weil es den Plattformen die Verantwortung für die Inhalte zuweist. Diesen Grundsatz müssen wir ausbauen. Außerdem ist die Regelung gerecht: Menschen, die kreative Leistungen erbringen, sind genauso schutzbedürftig wie etwa Programmierer. Aber das neue Recht geht nicht weit genug. Es müsste eine Pflicht für die Honorierung von urhebergeschützten Inhalten geben. Denn sonst werden die großen monopolistischen Anbieter mit den Rechteanbietern verhandeln, nach dem Motto: "Gib mir die Inhalte gratis, wenn nicht, verlierst du ganz viel Geschäft." Das wird für viele keine freie Entscheidung sein.

Zehntausende haben in ganz Europa demonstriert, weil das neue Urheberrecht angeblich das freie Internet in Gefahr bringt.

Hier haben Facebook und Youtube eine präzise und enorm wuchtige Kampagne gefahren, die öffentliche Meinung gesteuert und manipuliert, gerade bei jugendlichen Zielgruppen. Das war Propaganda. Wenn wir als Medienunternehmen so etwas machen würden, würden wir vermöbelt, von der Politik beschimpft und möglicherweise auf die Reservebank verbannt. Damit haben Facebook und Youtube übrigens einmal mehr den Nachweis erbracht, dass sie Medienunternehmen sind, die für ihre Inhalte Verantwortung übernehmen müssen und eine Regulierung absolut notwendig ist.

Was sagen Sie konkret zu dem Vorwurf, dass der massive Einsatz von sogenannten Uploadfiltern das freie Netz bedroht?

Das freie Internet ist in keiner Weise in Gefahr. Facebook und Youtube greifen schon heute ein und filtern Inhalte aus, das kann man übrigens besser mit Menschen als mit Maschinen machen. Uploadfilter werden das im Zweifel gar nicht leisten können. Bei Facebook werden heute schon 15 000 Kontrolleure eingesetzt, um die Zensurvorschriften von Facebook zu implementieren.

Facebook verdient auch an anderen Angeboten.

Whatsapp zum Beispiel ist ein Kommunikationsdienst, der aber nicht als solcher eingestuft wird. Damit müsste er bestimmten Regulierungen für Telekommunikationsunternehmen unterliegen. Das bedeutet, dass alle Daten und Profile, die der Nutzer nicht selbst angelegt hat, nach 90 Tagen gelöscht werden müssen. Das würde auch dazu führen, dass die Unternehmen genauer als bisher prüfen, welche Daten sie speichern und wie diese wieder gelöscht werden können.

Ist da nicht eine weltweite Lösung nötig?

Europa ist in einer Führungsposition und muss jetzt vorangehen. Die USA und China werden dann nachziehen, denn dort gibt es dieselben Probleme.

Einiges passiert schon, das Bundeskartellamt geht gegen Facebook oder Amazon vor, die EU-Kommission ist tätig, verhängt Strafen gegen Google. Warum reicht das nicht?

Das sind Schritte in die richtige Richtung, aber das dauert lange. Wenn die Landschaft erst ausgedörrt ist, können sie zwar irgendwo in der Sahara Bäumchen pflanzen. Geld wird aber nur in den Oasen verdient.

Hat das Medienunternehmen Burda da überhaupt eine Zukunft?

Natürlich! Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt. Uns wird es noch lange geben, aber klar, wir sind auch betroffen. Wir entwickeln unsere Geschäftsmodelle ständig weiter. Allein vom Verkauf von Anzeigen-Doppelseiten werden wir nicht mehr leben können, daher müssen wir andere Geschäfte betreiben. Wir können zum Beispiel große Hersteller bei der Führung von Marken beraten, denn wir kennen uns mit Inhalten, Reichweiten und Kundenansprache aus.

Wie ist es bei Burda 2018 gelaufen?

2018 war stabil. Der Umsatz ging leicht um 0,3 Prozent auf 2,66 Milliarden Euro zurück. Geringfügig belastet hat uns die Entwicklung unserer Geschäfte in Indien und Afrika, wo wir Lehrbücher herstellen, sowie das Geschäft in Osteuropa. Ohne diese beiden hätte das Plus bei 1,5 Prozent gelegen. Die Investitionen lagen 2018 bei knapp unter 200 Millionen Euro. Auch in diesem Jahr werden wir weiter auf dem Niveau national und international unser Geschäft ausbauen. Beim Ertrag war die Entwicklung sehr angenehm. Es war ein gutes Jahr.

660 Millionen Euro entfallen auf die deutschen Magazine. Planen Sie neue Titel?

Ja, wir betreiben ein erfreuliches Verlagsgeschäft. Dennoch, Zeitschriften, die allein auf das Anzeigengeschäft ausgerichtet sind, kann man nicht mehr auf den Markt bringen. Das ist vorbei. Heute muss man Magazine entwickeln, die für den Konsumenten einen großen Mehrwert bringen und die Probleme der Leser lösen. Da wird es Neues geben. Mit gutem Journalismus können sie viel erreichen, wir beschäftigen weltweit knapp 2200 Journalisten. Inhalt kann nur mit Qualität nachhaltig erfolgreich sein.

Der Konzern gehört der Familie Burda, wird sich das ändern?

Die Familie Burda macht auf mich den Eindruck, als ob sie ein glücklicher Eigentümer wäre, die sich über das Unternehmen freut und es mit Passion besitzt. Und Hubert Burda ist ein wichtiger Gesprächspartner für mich und "Letztentscheider".

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Quelle:
SZ vom 16.04.2019
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