Süddeutsche Zeitung

Bundeshaushalt:Der Staat in Spendierlaune

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Von Cerstin Gammelin, Berlin

Man muss ein wenig kauzig veranlagt sein, um den Spaß zu verstehen, den sich die Haushaltspolitiker der Fraktionen im Bundestag machen. Vor jeder Abschlussdebatte verabredet die eingeschworene Truppe ein Codewort, das jeder in seine Rede einflechten muss. Vor einem Jahr brachten die Abgeordneten "Hase und Igel" ins Spiel. Am Freitag war es der "Black Friday", der Schnäppchenjägertag, der sogar den spröden Bundesfinanzminister von der SPD zu Klamauk verleitete. Die Wünsche der Opposition nach Abschaffung des Soli, mehr Umverteilung von oben nach unten oder mehr Klimaschutz wirkten so "wie ein besonderer Verkaufstag, ein Black Friday, wo die Sonderangebote des politischen Shoppings alle ins Schaufenster gestellt worden sind", ulkte Olaf Scholz.

Man mag das für Quatsch halten, aber tatsächlich haben diese Codes eine integrative Wirkung. Es machen die Haushälter aller Fraktionen mit. Auch diejenigen, die später gegen den Haushalt stimmen. Am Freitag jedenfalls verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition den Haushalt 2019. Das erste von Scholz vorgelegte Budget schlägt mehrere Rekorde. Es ist mit knapp 357 Milliarden Euro so groß wie keines zuvor. Ein großer Teil der zusätzlichen Ausgaben fließt in innere Sicherheit, Verteidigung, Entwicklungshilfe, Wohnungsbau und digitale Angebote. Aber auch die Ausgaben für Arbeit und Soziales waren nie höher (siehe Grafik).

Es zeichnet sich allerdings ab, dass die Haushaltsplaner künftig nicht mehr so aus dem Vollen schöpfen können. Weil die deutsche Autoindustrie nicht mehr so viele Dieselautos verkauft, ist auch die deutsche Wirtschaft geschrumpft. Das wird sich auch in den Steuereinnahmen widerspiegeln, die nicht mehr ganz so sprudeln dürften. In diesem Jahr können Bund, Länder und Gemeinden sowie Sozialversicherungen noch einmal ein Plus von 60 Milliarden Euro verbuchen, berichtete der Spiegel am Freitag. Auf den Bundeshaushalt entfallen davon knapp zehn Milliarden Euro, auf die Länder etwa doppelt so viel. Der gesamtstaatliche Überschuss soll von rund 1,8 Prozent des Bruttosozialproduktes in diesem Jahr auf ein Prozent im Jahr 2019 sinken und weiter zurückgehen.

Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben sind mit den erwarteten Einnahmen sicher finanziert. Einige dieser Gesetze passierten am Freitag den Bundesrat, sie werden 2019 in Kraft treten.

Künftig gibt es das Recht auf Brückenteilzeit. Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit ohne besondere Gründe für ein bis fünf Jahre verringern. Danach haben sie Anspruch, in den Vollzeitjob zurückzukehren. Für kleinere Firmen gibt es Einschränkungen. Das Rückkehrrecht in Vollzeit war ein zentrales Vorhaben der SPD.

Die Sozialdemokraten setzten zudem durch, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wieder paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden.

Der Bundesrat billigte ein Sofortprogramm, um personelle Engpässe in Heimen und Kliniken zu beseitigen. In der stationären Altenpflege werden 13 000 Stellen geschaffen; Pflegekräfte sollen besser bezahlt werden. Die Ausbildungsvergütungen in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege und der Krankenpflegehilfe sollen im ersten Ausbildungsjahr durch die Kassen finanziert werden.

Zunkunft sei "kein Good Friday, sondern ein Black Friday"

Das Rentenniveau wird bis 2025 bei mindestens 48 Prozent stabilisiert. Der Beitragssatz darf auf höchstens 20 Prozent steigen. Mütter und Väter mit vor 1992 geborenen Kindern bekommen einen halben Rentenpunkt zusätzlich angerechnet. Die Erwerbsminderungsrente wird verbessert, Geringverdiener sind ab Juli 2019 erst ab 1300 Euro Brutto monatlich voll sozialversicherungspflichtig. Das Kindergeld steigt um zehn Euro monatlich. Es gibt steuerliche Entlastungen.

Die Opposition distanzierte sich von den Beschlüssen. Der FDP-Politiker Otto Fricke sagte, das sei für die Zukunft in Deutschland leider "kein Good Friday, sondern ein Black Friday" gewesen.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2018
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