Süddeutsche Zeitung

Brief aus Griechenland:Eindeutig zweideutig

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Von Guido Bohsem

Wer in einem Finanzministerium als Fachbeamter für Internationales zuständig ist, muss um Wörter feilschen können wie ein Teppichhändler. Diese Leute müssen es verstehen, die zumeist englischen Texte durch Nebensätze einzuschränken, aufzuhübschen und vor allem, mit vagen Begriffen weniger eindeutig zu machen, als es zunächst den Anschein hat.

Was diese Kunst der eindeutigen Zweideutigkeit angeht, hat der Brief des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ( hier lesen Sie den Brief im Original) wenn nicht gerade Begeisterung, so aber doch großen Respekt unter den Experten von Wolfgang Schäuble geweckt. Von einer Meisterleistung der griechischen Formulierer ist die Rede. Ein Ministerialer nannte Varoufakis' Schreiben sogar ein trojanisches Pferd. Von außen sehe es interessant und gefällig aus, doch wenn man nicht aufpasse, erweise es sich als ziemlich gefährlich.

Ja, was denn nun?

So sei noch nicht einmal der Satz eindeutig, in dem es heißt, Griechenland werde die finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber allen seinen Gläubigern... - ja, was denn nun? Varoufakis verwendet hier das Verb to honour. Das kann man mit "begleichen" übersetzen, doch ebenso mit "respektieren", "akzeptieren" oder "anerkennen". Eindeutig sei jedenfalls anderes, urteilen Schäubles Leute.

Weiter heißt es in Varoufakis' Brief, dass sich die griechische Regierung gemeinsam und unter Ausnutzen aller möglichen Flexibilitäten auf ein erfolgreiches Erfüllen des Programms "zubewegen" wolle. Auch hier ist man im Finanzministerium misstrauisch. Zwar höre es sich zunächst so an, als wolle Griechenland, wie von seinen Partnern in der Euro-Zone gefordert, die aktuelle Reformagenda umsetzen. Doch das stehe eben nicht da. Die Rede sei von proceed toward, und das heiße eben nicht, dass man das Programm tatsächlich vollständig umsetzen werde.

Schäubles Leute unken

Varoufakis stimmt in dem Brief zudem einer Kontrolle ( supervision) durch die Europäische Zentralbank (EZB), die Kommission und den Internationalen Währungsfonds zu. Doch auch hier unken Schäubles Leute, dass man unter der englischen Vokabel auch etwas schwächeres als Kontrolle verstehen könne, "Begleitung" beispielsweise oder "Beobachtung". So interpretiert, würden die Griechen somit auch eine weitere Forderung der Euro-Gruppe nicht wirklich erfüllen.

Bemerkenswert eindeutig formuliere Varoufakis hingegen, wenn es um Dinge gehe, die sein Land wolle. So verwende er sehr klare Wörter, wenn es darum gehe, dass die EZB nach einer Verlängerung des Programms die unter Druck stehenden griechischen Banken wieder finanzieren soll.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2015
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