Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Die "737 Max" darf nun weltweit nicht mehr fliegen

Lesezeit: 2 min

Von Jens Flottau, Frankfurt

Drei Tage nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 der Ethiopian Airlines hat die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) die Konsequenzen gezogen und ein Flugverbot für den Typ verhängt. US-Präsident Donald Trump ordnete die Direktive an und sprach von einer "sehr schwierigen Entscheidung". Die FAA war mit ihrer Haltung, die 737 weiterfliegen zu lassen, zuletzt isoliert. Jetzt sagte der geschäftsführende Leiter der FAA, Dan Elwell, die Nachbesserungen an der Modellreihe könnten "Monate" dauern. Er wisse nicht, wie lange das Flugverbot gelten werde.

Bereits am Tag des Ethiopian-Unfalls hatten China und Indonesien ein Flugverbot verhängt, am Montag und Dienstag waren weitere Länder gefolgt. Auch die European Aviation Safety Agency (EASA) hatte den Luftraum in Europa ab Dienstagabend für die Max gesperrt. Den letzten Anstoß für das Umdenken der FAA hat aber offensichtlich Kanada gegeben: Die Regierung verhängte ihrerseits am Mittwoch morgen ein Flugverbot und begründete dies mit "neuen Erkenntnissen." Der kanadische Verkehrsminister Marc Garneau erklärte, Experten hätten den Verlauf des Ethiopian-Fluges 302 gestützt auf Satellitendaten mit dem der Lion-Air-Maschine verglichen, die am 29. Oktober 2018 vor der indonesischen Hauptstadt Jakarta ins Meer gestürzt war. Dabei hätten sich auffällige Ähnlichkeiten herausgestellt. Diese hätten zwar keine zwingenden Schlüsse zugelassen, aber doch "eine gewisse Marke" übersprungen. Am Mittwoch hatte auch Boeing selbst ein vorübergehendes Startverbot für alle Flugzeuge der 737-Max-Reihe weltweit empfohlen.

Bei den beiden Abstürzen von fast fabrikneuen Flugzeugen waren insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen. Die ersten Analysen des Lion-Air-Absturzes legen den Schluss nahe, dass die bei dem Typ neu eingeführte Flugsteuerungssoftware Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) eine wichtige Rolle gespielt hat. Das System soll in bestimmten Fluglagen den Anstellwinkel reduzieren, um einen Strömungsabriss zu verhindern. Es ist aktiviert, wenn der Autopilot ausgeschaltet ist, also vor allem unmittelbar nach dem Start wirksam. Doch beim Lion-Air-Flug griff das System offenbar auf der Basis von falschen Daten ein, die von einem fehlerhaften Sensor eingespeist wurden. Die Piloten versuchten gegenzusteuern, verloren aber die Kontrolle über das Flugzeug. Dass sie MCAS mit einem Schalter schnell hätten deaktivieren können, wussten sie offenbar nicht.

Softwareupdate für das MCAS-System

Vom zweiten Absturz am vergangenen Sonntag sind hingegen bislang viel weniger Details bekannt. Die Crew meldete kurz nach dem Start in Addis Abeba Kontrollprobleme und bat um Erlaubnis, zum Flughafen zurückzukehren. Die Maschine stürzte aber, nachdem sie sechs Minuten in nur wenigen hundert Metern über dem Boden unterwegs war, südöstlich der äthiopischen Hauptstadt ab. Der Flugdatenschreiber und der Stimmenrekorder der Ethiopian-Airlines-Maschine sind gefunden, aber noch nicht ausgewertet. Das soll nun in Frankreich geschehen. Dort wäre die französische Luftsicherheitsbehörde Bureau d'Enquêtes et d'Analyses zuständig.

Laut Trump wird das Flugverbot für die 737 Max 8 und Max 9 "bis auf Weiteres" gelten. Boeing hatte nach dem Lion-Air-Absturz Änderungen an der MCAS-Software angekündigt. Diese sollen nun dem Unternehmen zufolge "in den nächsten Wochen" verfügbar sein. Dem Vernehmen nach wurde die Software in dieser Woche an Bord einer 737 Max  getestet.

Die Piloten sollen künftig gewarnt werden, wenn das System aktiviert wird. Außerdem soll MCAS die Steuerflächen nicht mehr bis zum Maximalausschlag bewegen können, damit haben die Piloten Spielraum, dagegen zu steuern, auch wenn sie das System nicht ganz abschalten.

Boeing hat bislang rund 380 Boeing 737 Max ausgeliefert, in den USA werden sie derzeit von Southwest, American und United eingesetzt. In Europa sind Norwegian, Turkish und TUI die größten Betreiber. Das Modell wurde 2017 erstmals ausgeliefert und konkurriert mit dem Airbus A320neo. Es unterscheidet sich von seinem Vorgänger 737NG vor allem durch die größeren Triebwerke, die weiter vorne und oben an den Tragflächen installiert sind. Dadurch hat sich die Aerodynamik des Flugzeuges verändert, ein Grund, warum Boeing MCAS einführen wollte: Trotz der Änderungen sollte es ähnlich fliegen wie die NG, damit die Piloten die gleiche Lizenz nutzen können.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2019
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