Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Wie BMW Milliardengewinne gelingen

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Der Autohersteller vermeldet ein Rekordergebnis, trotz Weltkrisen. Warum BMW schafft, was anderen Probleme bereitet, erklärt der scheidende Finanzchef.

Von Max Hägler

Warum ist das so? Diese Frage hörte man in den vergangenen Jahren sehr oft in Etage 22 der BMW-Zentrale. Hier ganz oben im sogenannten Vierzylinder arbeitet auch der Finanzvorstand des Autokonzerns, Nicolas Peter, und der hat eine ganz besondere Angewohnheit: Erst beschreibt er die Lage der Welt und der Wirtschaft, leise und ruhig, in gleichmütiger Stimmlage. Um dann eine kleine Kunstpause zu machen - und zu fragen: "Warum ist das so?" Wobei es eigentlich immer eine rhetorische Frage ist, die Betonung gibt es zu erkennen. Tatsächlich antwortet Peter stets selbst. Meist mit einem verschmitzten Lächeln - um danach aufmerksam den Einschätzungen anderer zuzuhören.

Dieser vielleicht etwas altväterliche, aber doch sehr feine Stil wird absehbar ein Ende haben, jedenfalls wird Peter ihn nicht mehr vorleben. Denn der Manager wird, wie am Donnerstag bekannt wurde, seinen Vorstandsvertrag nicht verlängern; er geht nach der Hauptversammlung im Mai in den Ruhestand: 60 Jahre alt ist er, das ist die interne BMW-Altersgrenze für Vorstände.

Nachfolgen wird Walter Mertl, der bisherige Chef-Controller. Dessen neues Feld ist weitgehend bestellt, auch das wurde am Donnerstag bekannt. Der Aufsichtsrat segnete die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres ab. 159 000 Mitarbeiter bauten 2,4 Millionen Autos und Motorräder, was einen Umsatz von 142 Milliarden Euro bedeutet und eine Jahresüberschuss von 18,5 Milliarden Euro. "Operative Stärke in einem schwierigen Geschäftsumfeld", so kommentiert Peter das in bestem Finanzersprech.

Aber wie geht das? Trotz all der Krisen in der Welt? Die Antworten von Peter darauf sind um so spannender, weil er zwar für den Moment scheidet, man dem promovierten Juristen aber womöglich auch in Zukunft noch einmal an entscheidender Stelle in der deutschen Industrie begegnen könnte.

Ein Geschäft läuft besonders gut: das mit China

Die guten Zahlen haben zu tun mit den überall raren Computerchips. Die Versorgung damit läuft bei BMW etwas besser als bei anderen Herstellern, das harte, aber doch verbindliche Geschäftsgebaren zahlt sich aus. Und mehr Halbleiter bedeuten: mehr Autos als bei der Konkurrenz. Und weil BMW die vorhandenen Computerteile dann noch vor allem in große Fahrzeuge packt, die den meisten Gewinn einfahren, stimmt die Kasse.

Ein anderer wichtiger Punkt für den Erfolg sei, sagt Peter, dass man rund um die Welt "ausgewogen" aufgestellt sei. Ein schwächelnder Markt kann dann einen anderen ausgleichen. Deutschland mag herausfordernd sein, dafür läuft das Geschäft in den USA sehr gut und auch und vor allem jenes in China. Tatsächlich haben die Münchner im vergangenen Jahr als erster deutscher Autobauer unter Führung von Peter die Mehrheit am dortigen Joint Venture BMW Brilliance Automotive übernommen.

Für Peter sind die Milliardenerträge indes kein Selbstzweck. Etwa ein Drittel geht an die Aktionäre, zuvorderst die Familie Quandt (8,50 Euro je Aktie) - aber es bleibt eben auch etliches im Unternehmen hängen. Dieses Geld sei die selbst erarbeite Basis, um "aus eigener Kraft" die Entwicklung bei Zukunftsthemen wie Elektrifizierung und Digitalisierung "zu stemmen", sagt Peter.

Jedes zehnte Auto fährt mit Batterie

Dabei ändere sich die Branche nicht nur technisch, sondern auch beim Umgang mit den Zahlen, sagt der Vorstand, der 1991 zu BMW kam. Bis Mitte der 2000er Jahre seien in seinem Ressort der operative Gewinn und der Cashflow "beinahe ausschließlich maßgeblich" gewesen. "Seitdem schauen wir auch aus Finanzsicht darauf, welche technischen Maßnahme wieviel CO2-Einsparungen bringen und natürlich: zu welchen Kosten?" Es ist die mittlerweile oft diskutierte Rechnung: Verbrennerautos bringen Gewinne, Elektroautos noch nicht in dem Maße - was ist gefordert von Gesetzes wegen, was möglich aus Geschäftssicht?

Bei BMW ist im vergangenen Jahr beinahe jedes zehnte Autos ein Batteriewagen gewesen. Umweltorganisationen fordern einen viel schnelleren Hochlauf, doch selbst die momentane Quote ist bereits spürbar für den Konzern - der eben aus der Verbrennerwelt kommt: Der höhere Anteil an elektrifizierten Fahrzeugen habe sich "kostenerhöhend" ausgewirkt, heißt es technisch. Die teuren Rohstoffe und Teile der E-Autos haben den Gewinn geschmälert. Andererseits gibt es beim Nachhaltigkeitsindex des Finanzanalysten auch wegen der steigenden E-Auto-Quote die Zensur "Sehr gut" - was nur wenige andere Autohersteller erreichen.

Für den Finanzchef ist die Transformation eine Gratwanderung zwischen technischer Machbarkeit und ökonomischer Sinnhaftigkeit, die absehbar noch komplexer werden dürfte. Denn Batterien seien nur der Anfang der Antriebswende, sagt Peter, der sich übrigens fürs Geldausgeben ausspricht in einem anderen Forschungsbereich: "Ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts könnte Wasserstoff relevant werden, weil es eine so spektakulär unspektaktuläre Technik ist."

Dann wird Nicolas Peter in Rente sein - und vielleicht doch noch ein wenig mitgestalten. "Mein Ruhestand wird sicherlich nicht so richtig ruhig", sagt er jedenfalls. Er freue sich schon darauf, mehr Zeit für bisherige ehrenamtliche Mandate zu haben, etwa den Wirtschaftsbeirat des Goethe-Instituts. "Und es kann ja durchaus noch die eine oder andere Aufgabe hinzukommen."

Vielleicht ja irgendwann auch bei BMW im Kontrollgremium, dort liegt die Altersgrenze übrigens bei 70 Jahren. Wobei über so einen Wechsel noch niemand spricht bei BMW. In diesem Unternehmen schätzen sie den ruhigen Lauf der Dinge über alles und wohl auch deshalb verschweigt Peter stets, dass er etwa dem Kuratorium der einflußreichen BMW-Quandt-Stiftung vorsitzt. Aber da wie dort, bei der Familie, den Mitarbeitern und im Aufsichtsrat, sind sie sich einig über die Qualitäten des Mannes, der gerne rhetorische Fragen stellt. Als "strategischer Finanzvorstand" sei der Mann "ein großer Glücksfall" gewesen, so lässt sich BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer (66) am Donnerstag zitieren.

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