Süddeutsche Zeitung

BMW:Bitte nicht so schnell

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Ab in die Zukunft, aber bitte schrittweise: BMW plant die Digitalisierung und neue Elektroautos, aber auch neue teure Luxuslimousinen. Grund: Man braucht Geld, um seinen Umbau zu bezahlen.

Von Thomas Fromm, München

Wenn Harald Krüger etwas besonders wichtig ist, sagt er es einfach zweimal. Das klingt dann so: 2018 gebe es "einen i8 Roadster", sagt der BMW-Chef. Und fügt dann hinzu: "einen i8-Roadster". Nach 2020 soll es dann ein völlig neues Elektroauto geben, "ein völlig neues i-Fahrzeug. Ein völlig neues i-Fahrzeug". Oder: "Wir wollen die Führungsrolle in der digitalen Transformation der Automobilindustrie einnehmen. Ich wiederhole das noch mal: Wir wollen..."

Dinge, die für den Konzern entscheidend sind, kann man wahrscheinlich nicht oft genug beschwören. Krüger ist heute angetreten, um eine neue Strategie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu verkünden, und so eine neue Strategie bräuchte man nicht, wenn die alte Strategie noch funktionieren würde. Elektroautos, selbstfahrende Autos, vernetzte Autos, Autos, die geteilt werden - Autos werden auch künftig noch von irgendjemandem gebaut werden müssen, aber alles andere wird sich ändern. "Die Wertschöpfung verschiebt sich von der Hardware in Richtung Software und Services", sagt der BMW-Chef. Ein Satz, den man so übersetzen könnte: Bisher haben wir unser Geld nur mit Autos verdient. Demnächst werden wir unser Geld auch mit digitalen Diensten und anderen Dienstleistungen verdienen.

Car-Sharing, Parkplatzreservierungen, Taxi-Dienste - alles, was man so mit einem kleinen Smartphone erledigen kann. BMW wird anders. Nur was bedeutet das? Ein Rückblick in Zahlen; zurück auf das Jahr 2015, das vielleicht eines der letzten Jahre war, das man in einigen Jahren noch als "normal" bezeichnen wird.

Absatz: 2,2 Millionen Autos. Umsatz: 92,2 Milliarden Euro. Gewinn: 6,4 Milliarden Euro. Alle Zahlen sind, das muss man wissen, Rekordzahlen. BMW ging es also noch nie so gut wie jetzt. Und ausgerechnet jetzt braucht man eine neue Strategie und will mehr Software statt Hardware?

Was soll das?

Die Krawatten bleiben dran: Krüger will den Konzern zwar verändern, aber schrittweise

Hinter den Rekordzahlen lauern die Neuen. Sie sind aggressiv, haben viel Geld und sind bei jungen Leuten mindestens so beliebt wie BMW, vielleicht noch beliebter: Google, Apple, die Taxi-Firma Uber, und all die anderen, von denen BMW noch nichts weiß und die jederzeit zuschlagen könnten. Die große Kunst besteht darin, die Milliarden zu investieren, die man investieren muss, und gleichzeitig noch profitabel zu sein und seinen Investoren Gewinne zu präsentieren. Denn BMW ist keines von diesen kleinen Start-ups aus dem Silicon Valley - BMW ist ein Dax-Konzern. Deshalb verordnet sich der Konzern eine Zukunftsstrategie und plant den Wandel - aber eben nur ein bisschen.

Wer also an diesem Mittwoch den radikalen Schnitt erwartet und geglaubt hatte, aus den Bayerischen Motoren Werken würden nun die Bayerischen Software Lofts, wurde enttäuscht. Die Krawatten bleiben dran: Krüger will den Konzern zwar verändern, aber nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise.

Man wird sich bei BMW aber an Extreme gewöhnen müssen. Frühestens von 2020 an schickt das Unternehmen sein elektrisches i-Modell "iNext" an den Start, flankiert von Hybrid-Modellen und möglicherweise auch Fahrzeugen mit der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie an Bord. Es wird selbstfahrende Autos geben, man wird weiter Ausschau halten nach kleinen, aber nützlichen Apps, die man in den Konzern holen kann. Einerseits.

Andererseits und weil all diese Investitionen in die Zukunft bezahlt werden müssen, macht man da weiter, wo man gerade steht. Deshalb soll in zwei Jahren der geplante große Geländewagen X7 kommen, weitere 7er Modelle und Autos aus der PS-starken M-Reihe. Und Dieselmotoren, gerade jetzt, wo der Diesel durch die Affäre bei VW diskreditiert ist? Natürlich auch.

"Für uns ist der Dieselmotor weiterhin ein Eckpfeiler", heißt es bei BMW. Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sagt es so: BMW entwickele sich von einem Entwickler mechanischer Produkte zu einer "Tech-Company" - nur eben nicht in drei Monaten. Nicht einmal in drei Jahren.

Investoren und Eigentümer sollen beruhigt werden. Alles verändert sich, aber nicht so abrupt, dass wir die Kontrolle verlieren könnten. Alles kostet mehr als früher - die Investitionen, die Technologien, das qualifiziertere Personal. Aber wir verkaufen auch in Zukunft große Autos mit großen Renditen, um das aufzufangen. Trotz der anstehenden Großinvestitionen plant Krüger mit einer Marge von 8 bis 10 Prozent - so viel soll vor Zinsen und Steuern vom Umsatz hängen bleiben.

Der Umbau mit angezogener Handbremse: Wie schwierig das ist, zeigt der Fall Uber. Das amerikanische Internet-Unternehmen organisiert Fahrdienste mit privaten Fahrern - allerdings ist der Taxi-Dienst der vielen kleinen Ich-AGs in Europa politisch schwer umstritten. In Ländern wie Frankreich oder Deutschland gab es Verbote gegen das Start-up aus dem Silicon Valley - weil es dort gegen das Personenbeförderungsgesetz verstößt.

Nein, man wolle ja nicht Uber kopieren, sondern einen eigenen Weg gehen

Wie geht nun BMW damit um? Bekannt ist, dass die Münchner ihren Car-Sharing-Dienst "Drive Now" zu einem so genannten "Ride-Sharing-Service" ausbauen möchten. Aber als bayerisches Uber käme BMW nicht nur an seine politischen Grenzen, sondern würde auch große Image-Probleme riskieren. Daher sagt BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer: Nein, man wolle ja nicht Uber kopieren, sondern stattdessen einen eigenen BMW-Weg gehen.

Wie der allerdings konkret aussehen könnte, sagte er nicht. Es soll bei BMW ja jetzt alles Schritt für Schritt aufgebaut werden. Nur nichts überstürzen.

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SZ vom 17.03.2016
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