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Bitcoin:Kryptowährungen werden kein neues Geldsystem schaffen

Lesezeit: 2 min

Der Bitcoin und andere Kunstwährungen sind eine Spekulationsblase, die platzt. Doch die technische Grundlage Blockchain wird bleiben und den Alltag dauerhaft prägen.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Bitcoin ist alles - nur keine Währung, jedenfalls keine im klassischen Sinne. Er ist ein Objekt der Begierde, der Spekulation, des Wahnsinns. Immer mehr Menschen stecken ihr Vermögen in das digitale Pseudo-Geld. Wer im Januar 2017 oder noch früher eingestiegen ist, der ist es bereits jetzt: reich. Um 1600 Prozent ist der Wert des Bitcoin in den zurückliegenden zwölf Monaten gestiegen, viele Millionäre hat er hervorgebracht, die nun davon profitieren, dass eine immer größere Herde ihnen folgt.

All das ist faszinierend, wenn man Exzesse der Gier studieren will. Aber kann der Bitcoin, der 2009 von unbekannten Programmierern geschaffen wurde, zu allgemein akzeptiertem Geld werden? Kann er Euro und Dollar ersetzen? Seine Anhänger behaupten, er habe das Zeug dazu, ein völlig neues, von niemandem kontrolliertes Geldsystem zu schaffen, in dem keine Notenbank das Sagen hat. Die Finanzkrise 2008 und die Mühen der Notenbanken danach boten den Hintergrund für dieses Narrativ, es ist ein zentrales Element jenes Illusionsspektakels, das gerade an den Finanzmärkten zu erleben ist.

Vieles kann Geld sein: Muscheln, Hundezähne, Vieh, Salz - all das galt mal als Geld; alles wurde, zumindest vorübergehend, als Tauschmittel akzeptiert. Tatsächlich ist diese Tauschfunktion die erste von drei Bedingungen, damit ein Stoff zu Geld werden kann; so steht es in jedem Buch zur Geldtheorie. Natürlich kann man auch mit dem Bitcoin bezahlen. Es gibt einige Shops im Netz, die Bitcoin akzeptieren, kürzlich testete sogar eine deutsche Landesbank, die Nord-LB, ob ihre Mitarbeiter damit in der Kantine Currywurst kaufen wollten - der Versuch scheiterte, weil der Wert des Bitcoin sich blitzschnell erhöhte.

Denn damit ein Stoff als Tauschmittel allgemein akzeptiert wird, muss er auch zur Wertaufbewahrung taugen. Wenn aber der Bitcoin-Wert morgens um 30 Prozent fällt und nachmittags um 20 Prozent steigt, können manche damit vielleicht zocken, aber niemals wird die Masse dies als stabile Währung akzeptieren. Was dem Bitcoin fehlt, ist eine steuernde Instanz wie die Notenbanken, die trotz aller Mängel des jetzigen Geldsystems für einen halbwegs stabilen Wert garantieren.

Bleibt die dritte Funktion: Geld als Recheneinheit. Klar, mit dem Bitcoin kann man rechnen, man kann jeden Preis, jeden Wert kalkulieren. Aber was bringt das, wenn die Kurse so schwanken?

Die Währung hat einen Geburtsfehler

Der Grund für dieses Auf und Ab liegt in einem gewollten Geburtsfehler: Die Menge des Pseudo-Gelds wurde - dem Vorbild des Golds folgend - von den Erfindern von vornherein begrenzt. Mehr als 21 Millionen Bitcoin werden die Computer nie produzieren können, 16 Millionen gibt es bereits, und die Produktion der verbliebenen Bitcoin mittels komplizierter Rechenaufgaben verschwendet gigantische Mengen von Strom, ebenso jede Überweisung. Um das Bitcoin-System aufrechtzuerhalten, ist schon heute angeblich so viel Strom notwendig, wie Irland verbraucht.

Schwerer noch wiegt das Problem, dass eine Währung eigentlich mitwachsen müsste, wenn die Wirtschaft wächst; je mehr Waren produziert werden, umso mehr Geld braucht es, um das zu bezahlen. Die Notenbanken erhöhen daher beständig die Geldmenge. Die Menge an Bitcoin dagegen ist limitiert, das hilft den Spekulanten, ist aber für eine stabile Entwicklung der Wirtschaft schädlich.

Man könnte diese Geburtsfehler korrigieren, man könnte neue digitale Währungen schaffen, die all das berücksichtigen und die gleichen Verschlüsselungstechnologien nutzen. Sie dürften aber nicht von irgendwelchen anonymen Programmierern herausgegeben werden - sondern von einer Notenbank, die den Wert garantiert und damit das nötige Vertrauen schafft.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2017
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