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BGH-Urteil:Falsch beraten? Dann muss die Bank zahlen

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Urteil im Sinne der Anleger: Banken hätten vor Beginn der Krise warnen müssen, dass offene Immobilienfonds zeitweise dichtmachen können. Eine Frau bekommt nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 22 000 Euro zurück.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Sechs Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise können Anleger Hoffnung schöpfen, die damals mit offenen Immobilienfonds Geld verloren haben. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) mussten Banken auch vor der Krise ihre Kunden "ungefragt" darüber informieren, dass offene Immobilienfonds - die den Anlegern normalerweise jederzeit Zugriff auf ihr Geld geben - in Krisenzeiten zeitweise geschlossen werden können. Weil die Commerzbank die beiden Kläger nicht darüber aufgeklärt hatte, dass die Rücknahme ihrer Anteile bei Liquiditätsengpässen ausgesetzt werden kann, muss sie nun Schadensersatz zahlen. ( Az: XI ZR 130/13 ua)

Geklagt hat unter anderem eine Frau, die das Geld aus einer Erbengemeinschaft in einen vermeintlich sicheren Immobilienfonds gesteckt hatte; der BGH sprach ihr nun mehr als 22 000 Euro zu. Ein zweiter Fall - dort geht es um gut 7000 Euro - wurde zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.

Offene Immobilienfonds galten einst als sichere und rasch verfügbare Anlage - fast eine Art Tagesgeld, weil der Anleger seine Anteile normalerweise jederzeit zurückgeben konnte. Als die Finanzkrise ausbrach, zogen die - wie so oft besser informierten - institutionellen Anleger rasch ihr Geld ab und brachten die Fondsgesellschaften in eine Schieflage. Diese griffen zu der gesetzlich vorgesehenen Schließungsmöglichkeit. Damit kamen die Privatanleger nicht mehr an ihr Geld und mussten tatenlos zusehen, wie die Gesellschaften im Strudel von mangelnder Liquidität und hastig verkauften Immobilien nach unten gerissen wurden. "Danach war der Markt tot", sagt Rechtsanwalt Dennis Göring von der Kanzlei Kälberer & Tittel.

Noch viele offene Klagen

Zwischen den Gerichten war seither umstritten, ob die Banken ihre Kunden über dieses Risiko hätten informieren müssen. Peter Baukelmann, Anwalt der Commerzbank, wollte den BGH davon überzeugen, dass die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen im Interesse der Anleger liege - weil die Fondsgesellschaft durch eine "Atempause" die Insolvenz abwenden könne.

Nach den Worten des BGH-Senatsvorsitzenden Ulrich Wiechers ist dagegen entscheidend, dass damit ein permanentes "Liquiditätsrisiko" entsteht, "über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Anlageentscheidung trifft". Kennzeichnend für offene Immobilienfonds damaliger Prägung sei ja gerade gewesen, dass man die Anteile grundsätzlich jederzeit zu Geld machen konnte. Der Verkauf der Anteile an der Börse sei "keine echte Alternative", weil der Kurs gerade bei einer Schließung des Fonds ins Trudeln gerate.

Nach Auskunft von Göring, der selbst betroffene Anleger vertritt, sind noch viele Klagen offen, weil einige Gerichte auf das BGH-Urteil gewartet haben. Wer allerdings auf den Gang vor Gericht verzichtet hat, wird auf seinen Verlusten sitzenbleiben: Bis Mitte 2009 verjährten Ansprüche innerhalb von drei Jahren nach Erwerb der Fondsanteile. Danach wurden die Verjährungsvorschriften zwar gelockert, doch da investierte kaum noch jemand in offene Immobilienfonds. Inzwischen wurde das Gesetz mehrfach geändert. Seit dem Sommer 2013 gilt für Groß- wie für Kleinanleger eine Haltefrist von mindestens 24 Monaten.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2014
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