Süddeutsche Zeitung

Kreditinstitute:Deutsche Banken streichen so viele Stellen wie nie zuvor

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Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Deutsche Bank steht wohl vor dem größten Stellenabbau ihrer Geschichte. Im Gespräch sind bis zu 20 000 Jobs, die weltweit wegfallen könnten. Das entspräche gut einem Fünftel der Gesamtbelegschaft. Es ist auch ein Umbau des Vorstands im Gespräch. Die Pläne scheinen weit gediehen zu sein. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank wolle bereits am 7. Juli die notwendigen Beschlüsse fassen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider. Bislang war man davon ausgegangen, das Institut werde die Sparpläne erst am 24. Juli zusammen mit den Geschäftszahlen für das zweite Quartal präzisieren. Die Deutsche Bank wollte den Bericht nicht kommentieren.

Der geplante Jobabbau beim größten deutschen Kreditinstitut wirft auch ein Licht auf den gesamten Bankenmarkt in Deutschland. Der Sektor ist aufgebläht und verdient zu wenig Geld. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank setzt die deutschen Banken besonders unter Druck, weil sie sehr stark von Zinserträgen abhängig sind. EZB-Präsident Mario Draghi stellte vor zwei Wochen sogar eine weitere Zinssenkung in Aussicht.

Felix Hufeld, Chef der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin, appellierte daraufhin an die Geldhäuser, ihre Sparanstrengungen zu verschärfen und ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten. "Es ist höchste Eisenbahn", sagte Hufeld. Die gute Konjunktur werde nicht ewig anhalten. "Ich werde nervöser, weil mit Händen zu greifen ist, dass wir in den nächsten Jahren eher in schwierigeres Fahrwasser geraten."

Die Angestellten im Bankensektor stehen vor harten Zeiten. 2018 sind bereits mehr als 32 000 Jobs im deutschen Bankensektor gestrichen worden, eine Reduktion um 5,4 Prozent. "Das dürfte auf Jahresbasis der größte Mitarbeiterrückgang in der bundesdeutschen Geschichte sein, zumindest seit 1990, für die Zeit davor gibt es keine Statistiken", sagte Bankenexperte Peter Barkow vom Analysehaus Barkow Consulting, der diese Daten zusammengestellt hat.

Technologiefirmen kapern die klassischen Geschäftsmodelle

Sogar in den für den deutschen Bankensektor schlimmen Krisenjahren 2003 und 2008 hätten nicht so viele Banker ihre Jobs verloren. "Es scheint fast so, als ob sich Banken jetzt schon durch Entlassungen auf noch schlimmere Zeiten vorbereiten", sagte Barkow, denn diese hohe Zahl lasse sich aus dem viel geringeren Rückgang der Anzahl der Filialen und Banken insgesamt gar nicht ableiten.

Im deutschen Bankensektor sind aktuell etwa 565 000 Menschen beschäftigt. Zum Vergleich: Im Jahr 1997 waren es noch 765 000. Auch die Zahl der Kreditinstitute ist seit den frühen 90er-Jahren in Deutschland kontinuierlich gesunken - von fast 4500 im Jahr 1991 auf heute etwa 1800, so Daten der Bundesbank. Doch die Aufsicht fordert noch mehr Konsolidierung, sei es, indem Banken aus dem Markt verschwinden, sei es durch Zusammenschlüsse. Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 53 Bankfusionen. Die geplante Fusion zwischen Deutsche Bank und Commerzbank scheiterte im Frühjahr auch, weil Arbeitnehmervertreter hohe Jobverluste befürchteten.

Der Druck auf die Alt-Banken ist groß, denn Technologiefirmen kapern deren Geschäftsmodelle. Sie locken mit modernen Apps und Online-Banking und können - ohne Kostenbelastung durch Filialen - die Finanzdienstleistungen günstiger anbieten. Gleichzeitig sind Technologiefirmen manchmal überfordert, wie sich zuletzt bei der mobilen Bank N26 zeigte. Kunden hatten zeitweise keinen Zugriff auf ihr Geld. Doch solche Pannen werden den Trend nicht stoppen. Das machte Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit seinem Angriff auf den Bankensektor deutlich: Die Kryptowährung "Libra", so sie denn kommt, könnte den weltweiten Zahlungsverkehr revolutionieren.

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SZ vom 01.07.2019
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