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Verkehr:Viel Frust mit der Deutschen Bahn

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Weihnachtszeit ist Reisezeit: Der Staatskonzern kämpft ausgerechnet jetzt mit vielen Problemen - und muss erklären, warum der Konzernchef in der Krise nun deutlich mehr verdient.

Von Markus Balser, Berlin

Für Millionen Deutsche beginnt Weihnachten in diesen Tagen irgendwo an einem Bahnhof. Die Feiertage und Silvester gehören für die Bahn seit jeher zu den Phasen mit den meisten Fahrgästen im Fernverkehr. Wenn nicht noch ein kleines Wunder passiert, werden die Stationen in diesem Jahr allerdings vielerorts weniger zu Orten des vorfreudigen Aufbruchs, sondern wohl eher zu denen des Frusts.

Ausgerechnet zum Fest häufen sich in Deutschland wieder Klagen über massive Verspätungen und Zugausfälle bei der Bahn. Im Fernverkehr waren im November nur noch rund 61 Prozent der ICEs pünktlich. Damit lag die Quote auf einem Niveau, das Fahrgäste zuletzt im Schneechaos Ende 2010 erleben mussten - nur diesmal ohne Schnee. Im Dezember lief es dann kaum besser. Insgesamt könnte die Verspätungsstatistik des Fernverkehrs für das gesamte Jahr so desaströs ausfallen, wie seit ziemlich vielen Jahren nicht.

Die Bahn selbst verweist am Freitag auf viele äußere Einflüsse. "Die sehr hohe Auslastung des Netzes und intensive Bautätigkeit kombiniert mit externen Störfaktoren - wie die Sabotage von Infrastruktur und die mehrwöchige Sperrung einer Hauptmagistrale des Schienenverkehrs - haben in diesem Herbst die Pünktlichkeit deutlich nach unten gezogen", sagt ein Sprecher. Tatsächlich hatten etwa die Anschläge auf wichtige Kabel in Berlin und Essen den Verkehr in weiten Teilen des Landes lahmgelegt, ohne dass die Bahn etwas dafürkonnte.

Richtig ist auch, dass die Tausenden Baustellen, mit denen die Bahn um die Modernisierung der maroden eigenen Infrastruktur kämpft, ein wachsendes Hindernis für mehr Pünktlichkeit sind. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Unionsfraktion vom 19. Dezember zeigt aber auch, dass etwa fehlendes Personal - und damit auch Managementprobleme - Schuld an der Misere hat.

Von Januar bis Ende Oktober kam die Bahn-Statistik immerhin auf mehr als 3700 "Ereignisse", bei der nicht oder unterbesetzte Stellwerke und Probleme bei der Personaldisposition ganz allgemein zu Verspätungen führten, weil zum Beispiel das Personal den eigenen Zug nicht erreichte. Laut Bahn lagen die durch Personaldefizite verursachten Fälle zwar unter einem Prozent aller Verspätungen. Die Bahn kommt dennoch auf stolze 375 000 Verspätungsminuten, die so verursacht wurden.

Immer häufiger kommt es inzwischen auch zu Streitereien zwischen Bahn und Kunden, die die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) lösen muss. Sie verzeichnete deutlich mehr Auseinandersetzungen. Die SÖP registrierte seit Januar 2022 insgesamt 3524 Verbraucherbeschwerden - vor allem wegen Zugausfällen und -verspätungen, teilte sie diese Woche mit. Das entspricht einem Anstieg um rund 51 Prozent im Vergleich zu 2021.

Besonders starke Nachfrage gibt es auf der Strecke zwischen Berlin und München

Vor allem an diesem Freitag dürften die Züge und Bahnsteige im Land noch einmal voll werden. Auch am 28. Dezember, also nach Weihnachten, sei mit einem hohen Reiseaufkommen zu rechnen, heißt es bei der Bahn. Starke Nachfrage werde etwa auf der Strecke zwischen Berlin und München erwartet.

Der Konzern versucht noch einmal gegenzusteuern und setzt deutschlandweit 80 zusätzliche Züge ein, um das Angebot an den Feiertagen auszuweiten. Damit stehen über die Weihnachtstage 40 000 Sitzplätze zusätzlich zur Verfügung. Auch das Serviceteam wird laut Bahn aufgestockt. Bis Weihnachten helfen den Angaben zufolge rund 800 neue Mitarbeiter den Fahrgästen an Bord der Züge.

Keine Verspätung haben wird übrigens eine Gehaltserhöhung für Bahnvorstände. Pünktlich zum Jahreswechsel soll Konzernchef Richard Lutz trotz aller Qualitätsprobleme des Unternehmens statt 900 000 Euro an jährlichem Fixgehalt 990 000 Euro bekommen - also zehn Prozent mehr. Zumindest die Gehaltserhöhung kommt bei der Bahn quasi automatisch an - auch ohne große Diskussion im Aufsichtsrat. Sie wird für alle Vorstände fällig, die sich fünf Jahre im Unternehmen halten konnten.

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