Süddeutsche Zeitung

Autoversicherung:Ordentlich Druck im Kessel

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Der Wettbewerb in der Autoversicherung wird härter. Erstmals seit Jahren sinken die Preise. Die Allianz will wieder Marktführerin werden.

Von Herbert Fromme, Köln

Die R+V-Versicherung versuchte gar nicht erst zu kämpfen. "Leider können wir den Tarif der HUK24 auch nicht annähernd anbieten", schrieb die Sachbearbeiterin ihrer Kundin. Die 45-jährige Düsseldorferin hatte dem Wiesbadener Versicherer das Angebot des Konkurrenten geschickt. Für die Versicherung eines kleinen Nissan Juke wollte die R+V 720 Euro berechnen, obwohl die Kundin nur 12 000 Kilometer im Jahr fährt und einen hohen Schadenfreiheitsrabatt hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie daraufhin die Preise verglichen. Bei der HUK24 kostet der Schutz 450 Euro - 270 Euro weniger.

Es gibt andere Beispiele, bei denen es umgekehrt ist. Da sind HUK-Coburg und die Tochter HUK24 teurer, meist geht es um 40 Euro oder 80 Euro. Die 270 Euro Differenz sind eher die Ausnahme. Dennoch vergleichen viele Autofahrer in diesen Tagen Preise, mehr als in den Vorjahren. "Es gibt einen ordentlichen Anstieg bei den Kundenbewegungen", stellt Jörg Rheinländer fest, Vorstand bei der HUK-Coburg.

Ende November läuft die Frist ab. Wer bis dahin kündigt, kann sich ab Januar 2019 bei einer anderen Gesellschaft versichern. Viele Fahrer erkundigen sich bei einem Vergleichsportal wie Check24 oder Verivox, die als Versicherungsmakler aktiv sind und von Provisionen leben. Verbraucherschützer raten, zusätzlich auch bei einer Gesellschaft individuell deren Preis abzufragen und dem aktuellen Versicherer eine Chance zur Nachbesserung zu geben.

Mit 11,6 Millionen Fahrzeugen ist die HUK-Coburg unbestritten der Marktführer. Bis 2011 lag die Allianz vorne, aber dann zogen die Coburger vorbei - sie waren früher als die meisten Konkurrenten im Internet aktiv und boten günstigere Tarife, weil sie niedrigere Kosten haben.

Jetzt will die Allianz wieder zulegen. "Wir wollen näher an die HUK-Coburg herankommen", sagt Martin Wehner, Leiter der privaten Autoversicherung bei der Allianz. Sie kam Anfang 2018 auf 8,5 Millionen Fahrzeuge, ein Plus von 150 000. Dazu trug ein neuer Kfz-Tarif bei, den das Unternehmen 2017 eingeführt hatte. Er ist Wehner zufolge für Kunden sowohl im Vertrieb per Internet als auch über Vertreter attraktiver als frühere Angebote.

Die Allianz belässt es nicht bei neuen Tarifen. Sie hat den Rivalen Zurich beim ADAC ausgebootet und wird 2020 Partner des Automobilclubs. Das bringt einen Zuwachs von 650 000 Fahrzeugen.

"Die klassischen Versicherer und die Allianz greifen die HUK-Coburg an", sagt Christoph Röttele, Sprecher der Geschäftsleitung bei Check24 zu den Gründen des verschärften Wettbewerbs und der fallenden Preise. "Der durchschnittliche Beitrag für die Kraftfahrthaftpflichtversicherung sinkt um fünf Prozent, nachdem er zehn Jahre gestiegen ist." Der Makler Check24 ist nicht einfach neutraler Beobachter, sondern selbst ein wichtiger Teilnehmer im Wettbewerb. Das Unternehmen nennt seit zwei Jahren keine aktuellen Zahlen mehr. Damals hatte es mehr als eine Million Autoversicherungen vermittelt. "Seither sind wir jedes Jahr gewachsen", sagt Röttele.

Die Allianz verkauft Policen über Vergleichsportale, aber die HUK-Coburg verweigert sich. Die Marke ist so bekannt, dass sie mit Unterstützung durch Fernsehwerbung und Google-Anzeigen genügend Interessenten direkt auf ihre Webseiten bringen und auf den teuren Umweg über ein Vergleichsportal verzichten kann. Billig ist das nicht. "Unsere Werbeausgaben im Jahreswechsel liegen bei 20 Millionen Euro brutto", sagt Rheinländer. Davon gehen noch mögliche Rabatte ab. Die Allianz dürfte für Werbung einen ähnlichen Betrag ausgeben, Check24 noch mehr.

Michael Pickel, Chef des Rückversicherers E+S Rück, einer Tochter der Hannover Rück, sieht ein Ende der seit 2013 anhaltenden Preiserhöhungswelle. "Natürlich wurde der Wettbewerb durch den Einstieg der Allianz bei der ADAC Autoversicherung aufgeheizt" , sagt Pickel. "Daran sieht man, dass die Allianz in der Kfz-Versicherung wieder etwas vorhat." Sie sei aber nicht allein. Auch andere Versicherer wollten auf Kosten der Konkurrenz wachsen.

Das liegt auch an grundlegenden Veränderungen: Die anstehende Automatisierung der Autos führt zu neuen Spielregeln. Dazu kommen mögliche Konkurrenz durch Start-ups oder Internet-Konzerne. Da wollen die etablierten Gesellschaften ihre Anteile vorher ausbauen oder wenigstens halten. Michael Pickels Beobachtung: "Es ist deutlich mehr Druck auf dem Kessel."

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Quelle:
SZ vom 22.11.2018
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