Auktion von Funkfrequenzen:Schnelles Internet für alle
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Von Varinia Bernau, Mainz
Es ist ein unscheinbarer Ort, an dem in den nächsten Tagen die Gebote für Deutschlands Zukunft abgegeben werden: Der nüchterne Konferenzraum liegt hinter hellen Wänden in einem Wohnviertel von Mainz. Hier sollen Mitarbeiter der drei deutschen Mobilfunkanbieter von Mittwoch an im Stundentakt wertvolle Funkfrequenzen ersteigern. Wie viel sie schließlich zahlen werden, weiß niemand. Das Mindestgebot für das gesamte Spektrum liegt bei insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Deshalb haben die Deutsche Telekom, Vodafone sowie Telefónica Deutschland, vor allem unter den Marken O2 und E-Plus bekannt, die Auktion akribisch vorbereitet.
Auch für die Verbraucher steht viel auf dem Spiel. Deutschlands Internetversorgung ist im internationalen Vergleich allenfalls Mittelmaß. In den Städten können etwa 80 Prozent der Haushalte auf Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zugreifen, in dünner besiedelten Gegenden sind es nur 20 Prozent, schätzen die Marktforscher von Deloitte.
Ein Kilometer kostet bis zu 60 000 Euro
Die Regierung hat versprochen, alle hiesigen Haushalte bis 2018 an solch ein schnelles Netz zu bringen. Mit Kabeln ist das kaum zu schaffen. Zwar gelangt das Internet am schnellsten und stabilsten durch Fasern aus Quarzglas zu den Menschen. Doch solch ein Netz zu bauen, das dauert und ist teuer. Allein die Kosten für Bagger, die die Straße aufreißen und Kabel verlegen müssen, liegen pro Kilometer bei 50 000 bis 60 000 Euro. Die Datenübertragung per Funk gilt vielen Politikern als Alternative: billiger und schneller zu stemmen.
Deshalb sind die Frequenzen, die Bund und Länder nun an die Mobilfunkanbieter versteigern, so wichtig: Besonders begehrt ist das Spektrum im niedrigen Frequenzbereich. Denn diese Funkwellen tragen weit, sodass sich große Gebiete mit wenigen Masten versorgen lassen. Bestens geeignet also für die Versorgung ländlicher Regionen. Die Kanzlerin persönlich hat die Länder im vergangenen Dezember überredet, diese Frequenzen im 700er-Megahertz-Bereich freizugeben. Sie werden bisher von den Rundfunkanstalten genutzt - zur Übertragung des terrestrischen Antennenfernsehens (DVBT). Auch viele Kulturbetriebe mit drahtlosen Mikrofonen greifen bei Konzerten, Musicals oder der Übertragung von Fußballpokalspielen darauf zu. Beide sind nicht gerade glücklich darüber, nun zugunsten der Mobilfunkanbieter ausweichen zu müssen.
Den etablierten Anbietern wird immer wieder Rosinenpickerei vorgeworfen
Die 700er-Frequenzen sollen vom Frühjahr 2016 an schrittweise freigegeben werden. Allzu schnell aber wird es wohl nicht vorangehen. Zum einen, heißt es bei den Rundfunkanstalten, fehle es an Fernsehgeräten, die mit der neuen Technik klarkommen. Und nicht jedem könne man die zusätzlichen Kosten für Kabelfernsehen oder Satellitenschüssel zumuten. Zum anderen ist Deutschland das erste Land in Europa, das diesen Schritt wagt. Die Nachbarländer nutzen diese Frequenzen noch länger für den Rundfunk - und sie könnten damit in Grenzregionen den Handy-Empfang stören. Deshalb drängt Deutschland derzeit auch anderswo zu etwas mehr Eile. In Frankreich, Polen und Tschechien mit Erfolg, heißt es aus Verhandlungskreisen. Die Mobilfunkanbieter allerdings werden sich beim Netzausbau in diesen Regionen wohl zurückhalten, solange sie sich um Störungen sorgen müssen.
Es könnte also noch eine Weile dauern, bis schnelles Surfen in entlegenen Regionen zum Standard wird. Drei Jahre, das ist die Auflage bei der Auktion, haben die Unternehmen. Dann muss jeder der drei Anbieter sein Mobilfunknetz so weit aufgerüstet haben, dass es im Regelfall an jedem Ort möglich ist, mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Mbit/s zu surfen. Zu Zeiten, in denen besonders viel Verkehr ist, etwa wenn sich die Menschen zu Silvester Schnappschüsse senden, ist die Bundesnetzagentur, die über die Einhaltung der Regeln wacht, weniger streng.
Auch das Netz entlang von ICE-Strecken und Autobahnen sollen die Anbieter aufrüsten. Das allerdings ist nicht mehr als eine Bitte. Denn auch bei der Bundesnetzagentur weiß man, dass eine stabile Internetverbindung im schnellen Zug oder Auto alles andere als trivial ist. Das Handy muss sich dann ständig in neue Funkzellen einwählen. Damit das ohne Abbrüche klappt, muss das Netz engmaschig sein. Dort, wo Autobahnen an private Grundstücke grenzen, können die Mobilfunkunternehmen nicht einfach ihre Masten montieren. Und selbst wenn sie die Gleise aufrüsten, müssen die Züge mit der Technik ausgestattet sein, die das Funksignal ins Abteil weiterreicht.
Airdata kämpft vor Gericht um eine Zulassung
Womöglich würde der Netzausbau zügiger vorangehen, wenn die Frequenzen nun nicht nur unter den etablierten Mobilfunkanbietern ausgetragen würden. Vielleicht würden neue Anbieter sogar dafür sorgen, dass der Verbraucher eine schnelle und stabile Internetverbindung auch billiger bekommt. In anderen europäischen Ländern wurden bei Auktionen Frequenzen für Neueinsteiger reserviert. Hierzulande aber scheiterten gleich zwei kleinere Unternehmen an der Zulassung zur Versteigerung. Eines davon, Airdata, kämpft derzeit vor Gericht darum, doch noch zugelassen zu werden.
Bei der Bundesnetzagentur verweist man darauf, dass man streng sein müsse. So will die Behörde verhindern, dass ein Unternehmen Frequenzen erst erwirbt, dann aber, weil es den Aufbau eines Netzes finanziell oder technisch nicht schafft, den Netzausbau im gesamten Land blockiert. Bei Airdata haben sie hingegen das Gefühl, dass die Behörde den drei Großen lästige Konkurrenz vom Hals halten wolle. "Eigentlich muss die Bundesnetzagentur eine neutrale Instanz sein. Es ist ihr gesetzlicher Auftrag, den Wettbewerb zu fördern - und zwar zum Wohle des Verbrauchers", sagt Christian Irmler, Gründer und Chef von Airdata. Sein Unternehmen baut seit fast 20 Jahren Netze für eine schnelle Datenübertragung in Hotels, Messehallen, aber auch Häfen.
Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, hat den etablierten Mobilfunkanbietern immer wieder Rosinenpickerei vorgeworfen. Sie würden, so moniert er, das Netz zunächst nur dort ausbauen, wo viele Menschen und somit viele mögliche Kunden wohnen, zulasten der Bevölkerung auf dem Land. Auch deshalb wundern sie sich bei Airdata darüber, dass sie nicht zur Auktion zugelassen wurden und so die Chance erhalten, im Mobilfunkgeschäft mitzumischen und die etablierten Anbieter etwas anzutreiben.
Christian Irmler vermutet, dass es bei der Frequenzauktion vor allem darum geht, den Bundeshaushalt aufzubessern. Denn die Regierung steckt nur einen Teil der ersteigerten Einnahmen wieder in den Netzausbau, nämlich in Förderprogramme zum Ausbau von Glasfasernetzen: Mindestens 600 Millionen Euro werden es sein - und damit nicht einmal die Hälfte des Mindestgebots für das gesamte Spektrum, das unter den Hammer kommt.