Süddeutsche Zeitung

Arriva:Bahntochter zu verkaufen

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Von Markus Balser, Berlin

Keine Verspätung, keine Betriebsstörung soll den derzeit vielleicht wichtigsten Fahrplan der Deutschen Bahn noch gefährden. Bis zu diesem Freitag, 12 Uhr mittags, können sich Interessenten bei den Großbanken Citigroup oder Deutsche Bank melden, um eine der größten Bahntöchter überhaupt zu kaufen. Denn der deutsche Staatskonzern will sich von seinem milliardenschweren Auslandsgeschäft mit Bussen und Bahnen trennen, der britischen Tochter Arriva. Per Anzeige in der Financial Times wies der Konzern vor einigen Tagen auf die auslaufende Frist hin - offenbar mit Erfolg. Nach Angaben aus Finanzkreisen hat inzwischen eine zweistellige Zahl möglicher Käufer Interesse an Arriva angemeldet. Wer sich bis zu diesem Freitag mit einer entsprechenden Notiz an die beiden Banken wendet, kann in den nächsten Wochen bei einer so genannten Due Dilligence die Bücher von Arriva prüfen und bekommt für eine eingehendere Prüfung möglicherweise Zugang zu einem Datenraum. Erst dann werden die möglichen Käufer verbindliche Angebote abgeben. Erfahrungsgemäß sei das allerdings nur ein Teil der Interessenten aus der ersten Runde, heißt es in den Kreisen weiter.

Für die Deutsche Bahn drängt die Zeit. Die in 14 Ländern tätige Bahntochter mit 53 000 Beschäftigten, zuletzt 5,4 Milliarden Euro Umsatz und einem Firmensitz im englischen Sunderland ist zwar einer der wenigen Bereiche der Bahn, die Gewinne erwirtschaften, doch die Bahn braucht dringend Geld. Das Geschäft könnte dem Konzern 3,5 bis vier Milliarden Euro in die Kassen spülen. Auf 2,2 Milliarden Euro taxiert die Bahn allein für dieses Jahr jene Finanzlücke, die der Konzern mit dem Arriva-Verkauf gerne schließen möchte. In den kommenden Jahren braucht die Bahn jeweils weitere Milliarden. Die selbst gesetzte Schuldengrenze von 20 Milliarden Euro ist bereits erreicht - mehr Schulden machen geht nicht.

Und auch die Bundesregierung will die Defizite nicht mit zusätzlichen Steuergeldern ausgleichen. Es bleibt also nur der Verkauf von Unternehmensteilen. Der Bahn-Aufsichtsrat hatte den Vorstand im März ermächtigt, einen Verkauf der Tochter durchzuspielen.

Internationale Investoren könnten durch einen Brexit abgeschreckt werden

Die deutschen Bahnkunden würden von der geplanten Trennung wohl wenig spüren - es geht um die Regionalverkehre, die der Konzern per Bus und Bahn zum Beispiel in Schweden, den Niederlanden, Italien oder Spanien betreibt. Insgesamt hat Arriva in Europa 17 000 Busse und 1100 Züge im Einsatz.

Die Bahn hatte Arriva mit Sitz in Großbritannien 2010 für rund 2,8 Milliarden Euro erworben. Unsicherheit in den Verkaufsprozess bringt nun allerdings der Brexit: Zwar werde der das Geschäft des Unternehmens mit regionalen Linien in den verschiedenen Ländern kaum beeinflussen. Doch könnten internationale Investoren bei einem Brexit in den kommenden Monaten abgeschreckt werden, weil es schwieriger würde, mit einem Unternehmen auf der britischen Insel zu operieren.

Unklar ist deshalb auch, wie viele Bieter am Ende wirklich übrig bleiben und was sie zu zahlen bereit sind. Das allerdings ist für hiesige Kunden dann doch von großer Bedeutung. Denn die Erlöse sollen wenigstens zum Teil in eine bessere Qualität des Bahn-Angebots fließen, für die das Geld sonst nicht reichen würde. Die Bahn will vor allem die Unpünktlichkeit der eigenen Züge bekämpfen.

Auch wegen der Finanzprobleme hat sich die Bahn nach Angaben aus Kreisen des Aufsichtsrats für den Verkauf einen straffen Zeitplan gesetzt. Im September soll das Kontrollgremium wenigstens über die Art der Trennung entscheiden. Am liebsten wäre der Bahn ein Komplettverkauf an einen Investor - das ginge am schnellsten über die Bühne.

Möglich wäre es aber auch, Arriva in zwei Teilen zu verkaufen und in einen britischen und kontinentaleuropäischen Teil aufzuspalten. Auch ein Börsengang oder eine Mischung aus Verkauf und Börsengang sind laut Finanzkreisen noch möglich. Bis Ende des Jahres könne der Verkauf laut Bahn-Chef Richard Lutz dann unter Dach und Fach sein.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2019
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