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AOL kauft "Huffington Post":Wetten aufs Web

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"The Huffington Post" ist eine der meistgeklickten Internetseiten in den USA. Jetzt schnappt sich AOL das Unternehmen für 315 Millionen Dollar und startet damit eine Wette auf Web-Nachrichten - und Internetwerbung.

Vor einigen Wochen bekam Arianna Huffington, Mitgründerin der Blogger-Zeitung Huffington Post, eine E-Mail von AOL-Manager Tim Armstrong. Es gebe da etwas zu besprechen, hieß es darin; und man verabredete sich zum Mittagessen in Huffingtons Haus in Los Angeles. Einen Tag vor dem Treffen kam eine weitere E-Mail von Armstrong: Er würde gerne seinen Finanzchef Artie Minson mitbringen, ob das in Ordnung gehe? Aber natürlich, antwortete Huffington, und erkundigte sich noch, ob es etwas gebe, was die beiden nicht essen würden. "Pilze", schrieb Armstrong zurück.

Damit waren auch schon die größten Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt, bald darauf war der Deal perfekt: Der US-Internetkonzern AOL übernimmt für 315 Millionen Dollar die Webzeitung The Huffington Post. Die neuen Partner stehen sich in ihrem Enthusiasmus über die Liebesheirat in nichts nach: Die neue Mediengruppe komme zusammen auf 117 Millionen Webseiten-Besucher pro Monat in den USA und werde weltweit 270 Millionen Menschen erreichen, frohlockt AOL. Und Arianna Huffington schreibt in einem Huffington-Post-Beitrag, ihr Neujahrsvorsatz, die Webzeitung auf das nächste Level zu heben, sei schon Anfang Februar umgesetzt.

Mit der Übernahme will AOL seine Strategie fortsetzen, in großem Umfang auch Nachrichten, Analysen und Unterhaltung anzubieten. Mit dem Huffington-Deal sichert AOL sich ein lukratives Werbegeschäft, die Seite zieht täglich im Schnitt 25 Millionen Besucher an. Die ursprünglich aus wenigen Blogs hervorgegangene Webzeitung ist seit ihrer Gründung im Jahr 2005 stetig gewachsen. Inzwischen beschäftigt sie 200 feste Mitarbeiter, 6000 Blogger liefern täglich kostenlos Inhalte.

AOL dagegen hat weit weniger rosige Zeiten hinter sich. Der Konzern, ehemals einer der großen Gewinner des Dotcom-Booms, schrumpft in rasantem Tempo. Im vergangenen Jahr wurden fast 2500 Stellen abgebaut, etwa ein Drittel der Belegschaft. Das Unternehmen trennte sich von mehreren wenig rentablen Bereichen, der Umsatz ging um 27 Prozent zurück.

Die neue Strategie von AOL konzentriert sich auf das Geschäft mit Internet-Inhalten: Für knapp 100 Millionen Dollar kaufte das Unternehmen im vergangenen Jahr den populären Technologieblog TechCrunch, die Software-Firma Thing Labs und den Ratgeber-Video-Spezialisten 5 Minutes.

Die Macht bleibt bei der Gründerin

Diese Einkäufe werden von der Huffington Post freilich weit in den Schatten gestellt, was die Reichweite angeht. Zudem kauft AOL die Gründerin gleich mit: Niemand anders als Arianna Huffington selbst soll die neue The Huffington Post Media Group führen.

Damit erlangt Huffington die Kontrolle nicht nur über das gesamte US-Nachrichtengeschäft von AOL, sondern auch über weitere Medientöchter wie MapQuest und Moviefone. Diese Personalentscheidung ist für AOL ausgesprochen brisant: Huffington ist eine der prominentesten Vertreterinnen der politischen Linken in den USA. Bislang gab AOL sich betont unpolitisch - damit könnte es jetzt vorbei sein, auch wenn Arianna Huffington eilends beteuerte, ihre politischen Ansichten würden ihre Arbeit nicht beeinflussen.

Die Direktorien beider Unternehmen und die Aktionäre der Huffington Post haben dem Geschäft nach Angaben von AOL bereits zugestimmt. Es soll Ende des ersten oder Anfang des zweiten Quartals abgeschlossen werden.

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