Süddeutsche Zeitung

Airbnb:Feiermelder

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Airbnb empfiehlt Vermietern, kleine Geräuschmesser in der Wohnung aufzuhängen. Die sollen unerwünschte Partys melden. Doch sie könnten auch Privates über den Tagesablauf der Gäste verraten.

Von Max Hoppenstedt, Berlin

"Lärmkontrolle in Echtzeit", "effektive Eigentumsüberwachung" und "Risikobewertung" - das klingt nicht gerade nach entspanntem Urlaub. Mit diesen Begriffen werben Hersteller für Überwachungsgeräte, deren Einbau die Buchungsplattform Airbnb seit einigen Wochen den Vermietern empfiehlt. Seit Dezember bietet Airbnb seinen Vermietern in Deutschland für die Geräte zweier Hersteller sogar einen Rabatt an, sie kosten dann noch zwischen 35 und 130 Euro. Außerhalb Europas ist sogar noch eine dritte Firma im Angebot. Die Kunden können die Geräte übers Internet direkt nach Hause bestellen.

Eine Art Dezibelmesser erfasst die Lautstärke und ein Chip analysiert die Daten

Airbnb nennt sie "Party Prevention Devices", also Geräte zur Party-Verhinderung. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Rauchmelder - nur melden sie nicht Feuer, sondern Lärm. Im Inneren befinden sich eine Art Dezibelmesser, der kontinuierlich die Lautstärke in der Unterkunft erfasst, und ein Computerchip, der die Daten analysiert und per Wlan an den Hausherrn überträgt. Sobald der Geräuschpegel dauerhaft über einem vom Vermieter eingestellten Schwellenwert liegt, wird er automatisch über die unerwünschte Lautstärke in der Unterkunft benachrichtigt.

Die Funktion der Geräte unterscheidet sich in einigen Details, doch gemeinsam haben alle die Lärmmessung. Beim Gerät des Herstellers Noiseaware kann der Vermieter den Geräuschpegel in seiner Unterkunft beispielsweise in Echtzeit über ein Web-Portal beobachten. Um das vorzuführen, zeigt der Anbieter auf seiner Homepage Lautstärkekurven, neben denen je ein Wort steht: "Wohnzimmer", "Terrasse" und "Whirlpool". Für größere Unterkünfte empfiehlt Noiseaware, an diesen drei Orten seine Messgeräte zu installieren. Für jeden der drei Orte ist in der App zu sehen, wie sich der Geräuschpegel über mehrere Stunden entwickelt. Laut Hersteller werden die Daten rund um die Uhr gespeichert und können auch noch Jahre rückwirkend abgerufen werden.

Von Airbnb heißt es dazu auf Anfrage, die Geräte dienten lediglich dazu, "unerlaubte Parties und Störungen in der Nachbarschaft zu verhindern". Keines würde den Ton aufzeichnen. Zudem verlangt die Plattform von allen Vermietern, den Einsatz der Geräte im Beschreibungstext der Unterkunft oder in der Hausordnung transparent zu machen. Auch die Hersteller stellen auf Anfrage klar, dass keine Stimmen oder Geräusche in der Wohnung aufgenommen und nur der Lärmpegel gemessen wird. Sie betonen, dass ihnen die Privatsphäre der Mieter wichtig sei und dass sie diese schützen wollten.

Experten wie die Berliner Datenschutzbeauftragte Dalia Kues bewerten die Technik dennoch kritisch. Sie ist für das Unternehmen Airbnb zuständig. Zwar sei es positiv, dass die Geräte offenbar keine Geräusche aufzeichnen und an die Server der Unternehmen senden, sondern den gemessenen Lärm nur vor Ort analysieren. So soll beispielsweise festgestellt werden, ob eine Party gefeiert oder nur eine Tür laut zugeschlagen wird. Dennoch könnten die erfassten Daten durchaus viel über den Tagesablauf der Bewohner aussagen, warnt Kues - "insbesondere wenn sie nach Räumen sortiert werden." Eine Beschwerde von Bürgern oder eine umfassende technische Prüfung der Geräte habe es aber noch nicht gegeben. Da die Geräte nicht von Airbnb hergestellt werden, wäre für eine datenschutzrechtliche Prüfung das Land zuständig, in dem die Geräte vertrieben werden. Weltweit gewährt Airbnb derzeit Rabatte auf Geräte von drei Herstellern: Roomonitor ist ein spanisches Unternehmen, Mînut sitzt in London, Noiseaware im texanischen Dallas.

Doch selbst wenn die Gäste wie vorgeschrieben allgemein über den Einsatz der Party-Verhinderungs-Technik aufgeklärt werden, ist damit nicht garantiert, dass ihnen deshalb auch bewusst ist, welche Rückschlüsse sich aus den Daten ziehen lassen. So können die Lärmmessungen beispielsweise durchaus verraten, wann ein Besucher aufsteht oder zu Bett geht. Auch zu welcher Uhrzeit es wo besonders laut in einer Unterkunft war, lässt sich aus den Daten ablesen. Das lässt womöglich mehr Rückschlüsse zu als nur die Antwort darauf, ob ein Gast hier eine unangekündigte Party gefeiert hat.

Beispielsweise zum Oktoberfest hält sich nicht jeder Gast streng an die Hausordnung

Tatsächlich gibt es seit dem Start von Airbnb immer wieder Berichte über zu laute Touristen und Beschwerden von Nachbarn. Sie häufen sich beispielsweise rund um das Oktoberfest, wenn in München besonders viele Wohnungen über Airbnb vermietet werden: In Unterkünften hätten viel mehr Gäste übernachtet als vereinbart, heißt es dann. Oder eben: Die Gäste hätten eine Party gefeiert. Zugleich gibt es auch immer wieder Berichte von Airbnb-Gästen, die versteckte Kameras in ihren Unterkünften gefunden haben - obwohl das eindeutig gegen die Airbnb-Richtlinien verstößt.

Für Datenschützerin Kues ist der entscheidende Punkt die Frage nach der Zweckmäßigkeit beim Einsatz solcher Technik: "Es ist fraglich, ob ein solches Gerät wirklich nötig ist, wenn der Zweck die Verhinderung von Partys ist." Sie hätte da noch eine andere Idee, wie zu laute Gäste zur Räson gebracht werden und Nachbarn wieder ruhig schlafen können: "Wenn Mieter eine Party feiern und die davon gestörten Nachbarn die Polizei rufen, dann ist die Party auch vorbei."

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SZ vom 27.02.2020
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