Süddeutsche Zeitung

Abgas-Affäre:Klagewelle gegen VW

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Einige Verbraucheranwälte ziehen nun auch in Deutschland gegen den Konzern vor Gericht, um für Diesel-Fahrer Entschädigungen zu erzwingen.

Von Markus Balser, Berlin

Die niederländische "Stichting Volkswagen Car Claim" gilt als einer der schärfsten Gegner des VW-Konzerns in der Abgasaffäre. Der Stiftung zufolge haben sich unter ihrem Dach inzwischen mehr als 100 000 Halter von VW-Diesel-Fahrzeugen zusammengeschlossen, um eine Entschädigung zu fordern. Allein 20 000 davon kommen aus Deutschland. Lange versuchten deren Anwälte mit VW außerhalb von Gerichten zu einer Einigung über Entschädigungen zu kommen. Doch nun schlagen die Juristen der Stiftung einen ganz anderen Weg ein.

Per Klage wollen die Anwälte der Organisation nun auch für europäische Kunden eine Entschädigung erzwingen. "Offenbar will VW den Abgasskandal aussitzen und setzt darauf, dass Ansprüche der Kunden verjähren", sagte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen am Montag in Berlin. Man setze deshalb nicht mehr nur auf einen Vergleich, sondern habe begonnen, Klagen vor deutschen Gerichten einzureichen, teilte Kanzleipartner Julius Reiter mit. Ziel ist eine Rücknahme von VW-Dieselfahrzeugen, deren Abgaswerte manipuliert wurden, und die Erstattung des Kaufpreises. Laut der Kanzlei hätten Gerichte Händler oder VW selbst bereits in etlichen Fällen verpflichtet, Diesel-Autos zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten.

Auch die EU-Kommission fordert Entschädigungen für Diesel-Kunden in Europa

In den USA hat sich das Unternehmen bereit erklärt, seine Kunden zu entschädigen. In Europa sollen sie dagegen leer ausgehen. VW beruft sich dabei auf unterschiedliche Rechtssysteme. Die Anwälte erhöhen deshalb nun den Druck auf den Wolfsburger Konzern. Es sei kein bloßer Sachmangel, wenn Autos deutlich mehr Stickoxid ausstießen als angegeben, sagte Reiter: "Wir sind überzeugt, dass dies den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung erfüllt." Die Düsseldorfer Anwälte und die Berliner Kanzlei Gansel suchen zugleich weiterhin über die niederländische Stiftung "Stichting Volkswagen Car Claim" nach einem Kompromiss auf dem Verhandlungsweg. Der Konzern sei allerdings bislang nicht zu Gesprächen bereit, sagte Baum. Auch die EU-Kommission verlangt von dem Wolfsburger Konzern klare Zugeständnisse an die betroffenen Dieselkunden. Ende April ließ VW eine von EU-Justizkommissarin Vera Jourova gesetzte Frist verstreichen. Sie hatte "konkrete Ergebnisse" gefordert. Volkswagen erklärte dazu: "Wir befinden uns weiterhin im Austausch." Jourova hatte VW im März vorgeworfen, einen im Oktober vereinbarten "Aktionsplan" im Skandal um geschönte Abgaswerte nur teilweise umgesetzt zu haben.

Die Stiftung in den Niederlanden ist ein juristischer Umweg, um jene Sammelverfahren zu ermöglichen, die nach Gesetzeslage in Deutschland bislang nicht möglich sind. Verbraucher können sich bei der Stiftung zwar kostenfrei anmelden. Die Kosten der Stiftung sollten dann bei einem Erfolg aber aus dem Vergleich gespeist werden. Die Klagen der deutschen Kanzlei soll nach einem ähnlichen Modell finanziert werden. VW-Besitzer müssen im Erfolgsfall auf 29 Prozent ihrer Entschädigung verzichten - insgesamt sollen sie der Kanzlei zufolge höchstens 2900 Euro abgeben müssen.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2017
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