Süddeutsche Zeitung

Mobilfunknetz:Raus aus dem Funkloch!

Lesezeit: 3 min

Die jetzt anstehende Auktion von neuen Lizenzen für das schnelle 5G-Internet ist eine große Chance für die Bundesrepublik.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Das Internet in Deutschland muss schneller werden, viel schneller als man es sich heute vorstellen kann. Neu ist diese Erkenntnis nicht, passiert ist bisher aber zu wenig. Umso wichtiger ist es jetzt, bei der anstehenden Auktion der Frequenzen für den neuen Datenfunk 5G die Chance zu nutzen. Wenn die Wirtschaft vernetzter, mobiler, digitaler werden soll, fallen künftig immer mehr Daten an.

Würde man die bis 2025 erwarteten Daten der Welt auf DVDs speichern, reichte der Stapel gut 23 Mal zum Mond. Daten nützen aber wenig, wenn sie nur an einem Ort liegen. Sie müssen bewegt werden, und zwar schnell. Die Infrastruktur dafür ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor.

Um diesen Wirtschaftsfaktor geht es, wenn von diesem Dienstag an Vertreter von vier Mobilfunkunternehmen in einem komplizierten Verfahren für die ersten Frequenzen der kommenden Mobilfunktechnik 5G bieten. 5G ist mehr als die übliche Weiterentwicklung, es bedeutet einen großen Schritt nach vorne.

Deshalb ist es wichtig, dass die Industrienation Deutschland hier nicht länger hinterherhinkt. Noch ist es nicht zu spät, doch ist dafür eine enorme Kraftanstrengung nötig, eine, die weit über das hinausgeht, was die digitalen Agenden und Arbeitskreise bisher zustande gebracht haben.

Deutschland liegt bei nahezu allen Kennzahlen, die mit Digitalisierung und Netzausbau zu tun haben, weltweit bestenfalls im Mittelfeld, oft genug aber auch im hinteren Drittel. Die starke Industrie des Landes hat das in den vergangenen Jahren aufgefangen. Doch das wird nicht so bleiben. Wie gut ein Unternehmen nicht bloß Maschinen bauen, sondern auch digitale Prozesse darum herum beherrschen kann, das wird immer bedeutender. Sensoren erkennen es beispielsweise lange vor ihren menschlichen Bedienern, wenn eine Maschine beginnt, unruhig zu laufen. Wartungsarbeiten können mithilfe der technischen Fühler ohne ungeplante Standzeiten ausgeführt werden.

Hier kommt die 5G-Technik ins Spiel. Mit ihren speziellen Fähigkeiten ist sie bestens geeignet, die Produktion zu vernetzen. Sie überträgt große Mengen an Daten - hundert Mal mehr als die bisherige 4G-Technik -, braucht dafür aber weniger Energie. Sie kann eine Vielzahl von Geräten einbinden, zum Beispiel die wachsende Zahl von Sensoren in Maschinen. Außerdem reagiert sie deutlich schneller als die alten Systeme, das ist wichtig für zeitkritische Anwendungen. Kein Wunder, dass viele Unternehmen nur darauf warten, dass sie mit 5G loslegen können.

Verbraucher wären schon froh, wenn es ein flächendeckendes 4G-Netz gäbe

Was aber ist mit den Verbrauchern? Für das weitaus meiste, das Mobilfunknutzer tun, würden gut ausgebaute 4G-Netze zumindest für die nächsten Jahre reichen. Das Problem ist nur: Auch ihr Ausbau lahmt. Es ist daher richtig, wenn zu den Auflagen bei der jetzt anstehenden Frequenzauktion auch gehört, 4G in der Fläche auszubauen.

Politiker sollten sich allerdings hüten, Unmögliches zu fordern - Stichwort 5G an jeder Milchkanne. Schließlich ist die Politik ja mit schuld an einem Dilemma: Bei der Versteigerung der 3G-Frequenzen im Jahr 2000 wurden zwar 50 Milliarden Euro eingenommen. Doch das viele Geld, das die Unternehmen an den Staat zahlen mussten, fehlte ihnen hinterher für den Ausbau vor allem dort, wo es teuer und nicht so lukrativ ist - auf dem Land: Willkommen in der Funkloch-Republik Deutschland.

Dass Verbraucher schon bald das pfeilschnelle 5G werden nutzen können, ist also nicht zu erwarten, vor allem nicht auf dem Land. Zumal sich die jetzt zur Versteigerung stehenden Frequenzen wegen ihrer kurzen Reichweiten eher für städtische Gebiete eignen. Weitere Frequenzen jedoch, die auch für den Ausbau in der Fläche geeignet sind, werden erst in einigen Jahren versteigert.

Aber wenn die Mobilfunkunternehmen 5G nicht an jede Milchkanne bringen können, müsste dann nicht der Staat einspringen? Lieber nicht, denn viele Beispiele zeigen: Der Staat ist kein guter Unternehmer. Das entbindet ihn allerdings nicht von der Pflicht, für eine gute Infrastruktur zu sorgen. Dazu braucht es die Unternehmen, die das in einem gesunden, aber nicht ruinösen Wettbewerb effizienter und schneller hinbekommen als der Staat. Vorausgesetzt, der Gesetzgeber wirft ihnen keine Knüppel zwischen die Beine, sondern schafft Bedingungen, unter denen der nötige Kraftakt zu meistern ist.

Die Aufgabe wird nicht leichter angesichts der Sorge, der chinesische Netzwerkausrüster Huawei könnte in seine Geräte auf Geheiß der Staatsführung in Peking Hintertüren zum Spionieren oder Ähnliches einbauen. Ganz ausschließen kann das niemand, auch nicht mit peniblen Tests. Die können ja nur stichprobenartig sein, und es gibt ständig Software-Updates. Außerdem hat auch der US-Geheimdienst NSA schon Ausrüstung etwa von Cisco abgefangen und mit Hintertüren versehen. Klar ist aber: Würde man auf Huawei-Technik verzichten, würde der Ausbau länger dauern und teurer werden.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2019
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