Süddeutsche Zeitung

Fashion:Victorias Problem

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Die "Victoria's Secret Fashion Show" wurde früher weltweit gefeiert wie sonst nur Fußballturniere. Jetzt hat das Dessous-Label die diesjährige Show gestrichen. Ist das sein Ende?

Von Magdalena Pulz und Violetta Simon

Victoria's Secret hat ein Problem: Rihanna. Besser gesagt, Rihannas 2017 gegründetes Dessous-Label "Savage x Fenty". Während die inklusive und figurfreundlich vermarktete Lingerie der Pop-Ikone von Modemagazinen als das neue Nonplusultra gepriesen wird, erntet Victoria's Secret kaum noch positive Berichterstattung. Rihanna sei "der letzte Nagel im Sarg" des US-amerikanischen Dessousherstellers gewesen, schreibt etwa das Online-Magazin Refinery29.

Tatsächlich hat der Niedergang von Victoria's Secret eine weitere Drehung in seiner Abwärtsspirale vollzogen: Die große "Victoria's Secret Fashion Show" sei in diesem Jahr gestrichen, heißt es nach mehreren Berichten von US-Medien. Das habe der Mutterkonzern L Brands in einem Telefonat mit Analysten mitgeteilt. Seit der Gründung des Unternehmens 1995 hatte die Modenschau einmal im Jahr stattgefunden. Künftig wird es somit keine Live-Musik von US-Megastars mehr geben, keine im Takt wippenden Flügel, keine goldglänzenden Körper, keine langen gewellten Haare, die - Swoosh-Swoosh - von einer Seite auf die andere geworfen werden.

Das Ende einer Ära? Womöglich, allerdings kein überraschendes. Seit Jahren kämpft die Show, die in ihren besten Zeiten weltweit gefeiert wurde wie sonst große Sportereignisse, mit sinkenden Zuschauerzahlen. 2018 erreichten diese dann ihren absoluten Tiefpunkt: Ganze 3.25 Millionen Menschen verfolgten laut Medienberichten im November vergangenen Jahres die Übertragung - in den 2000er-Jahren waren es fast viermal so viele. Das nachlassende Interesse schlug sich auch in den Umsätzen nieder: Wie das Manager Magazin berichtete, laufen die Geschäfte schlecht. In den vergangenen zwei Jahren mussten 53 der mehr als 1000 Filialen schließen. Nicht nur von sinkenden Verkaufszahlen und Aktien im Sturzflug ist die Rede - auch von Image-Problemen.

In einer Gesellschaft, in der offen über Body-Shaming diskutiert wird, könnten die langbeinigen Engel in Reizwäsche schon bald ebenso überholt wirken, wie es die Playboy-Bunnies mittlerweile längst sind. So gesehen erscheint der Niedergang eines Dessous-Labels, das ausschließlich den perfekten Körper in Szene setzt, nicht unbedingt überraschend. Vielmehr könnte man sich fragen, wie sich die Marke mit ihrer offensiven "Sex sells"-Strategie inmitten der allgegenwärtigen Metoo-Debatte so lange halten konnte.

Die Marke versucht ein diverseres Image aufzubauen - mit wenig Erfolg

Noch im vergangenen Jahr reagierte das Unternehmen auf Kritik und diverse Shitstorms, indem es mit der 22-jährigen Brasilianerin Valentina Sampaio zum ersten Mal ein Transgender-Model engagierte - und zugleich den Marketing-Chef entließ. Der 71-Jährige hatte in einem Interview mit der US-Vogue erklärt, man brauche weder Plus-Size- noch Transgender-Models auf dem Laufsteg der Show, weil die Marke schließlich "eine Fantasie" verkaufe. Die Aktion entsprach eher dem Versuch, rückwirkend wieder in die Spur zu kommen - eine Art Diversity-Pendant zum Green-Washing. Von einem echten Paradigmenwechsel oder zumindest einer inhaltlichen selbstkritischen Auseinandersetzung mit dem propagierten Frauenbild war indes nichts zu erkennen.

Letzten Endes geben den Ausschlag die Verbraucher - eine klare Antwort haben die Kundinnen bereits gegeben. Alternativen gibt es jedenfalls genügend: Rihannas Dessous-Label ist nicht der einzige Konkurrent für Victoria's Secret. Auch die Marke Aerie, Tochter der US-Bekleidungsfirma American Eagle Outfitters, wirbt mit Body Positivity für seine Lingerie. Ob Victoria's Secret weitere Maßnahmen in Betracht ziehen wird und etwa strategische fundamentale Änderungen plant, ist noch nicht bekannt. Bisher hat das Unternehmen lediglich verlauten lassen, dass es sich künftig stärker auf den Bereich Social-Media-Marketing konzentrieren werde. Auf Instagram folgen der Dessous-Marke immerhin knapp 70 Millionen Menschen.

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