Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Schweizer Avant-Garde

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Von Violetta Simon

Wer hätte das gedacht: Die Schweizergarde geht mit der Zeit. Die Helme der päpstlichen Leibwache kommen neuerdings aus dem 3-D-Drucker. Wer dabei an Playmobilmännchen denkt, liegt falsch. Nach billigem Plastik sieht der Helm nämlich nicht aus.

Die Kopfbedeckung aus Acrylnitril-Styrol-Acrylat-Copolymer ist nicht nur leichter und günstiger als das bisherige Modell aus Blech, sondern auch ausgesprochen stabil. Man denke an den ersten Freischwinger von Verner Panton aus demselben Kunststoff, auf dem man sogar sitzen konnte.

Zwar kommt der sogenannte Morion als Teil der Galauniform nur zu repräsentativen Anlässen zum Einsatz, da muss sein Träger keine Gewalteinwirkung befürchten, wohl aber einen Blechschaden: Es kommt vor, dass ein Helm verrutscht und zu Boden fällt. Das machte bisher nicht nur einen höllischen Lärm, sondern Beulen und Schrammen ins Blech - und vor allem keinen guten Eindruck bei Papstmessen oder Audienzen mit Staatsoberhäuptern.

Die Gardisten freuen sich: Die neuen Helme sind viel bequemer als die alten

Grund zur Freude haben auch die Gardisten, vor allem wegen des neuen Tragekomforts durch Belüftungskanäle und Innenfutter aus Leder, damit die Wangenklappen nicht mehr an der Backe pappen. Zum anderen absorbiert der Kunststoffhelm weniger Hitze. Das ist insofern maßgeblich, weil sich das Blech der Vorgängermodelle an heißen Tagen dermaßen aufheizte, dass es auf den Schädeln der bedauernswerten Soldaten mitunter Brandwunden hinterließ. Und bei eisigen Temperaturen wurde das Material so kalt, dass die Soldaten fast fürchten mussten, mit der Backe am Helm festzufrieren.

Dank der neuen UV- und hitzebeständigen Helme ist dieses Risiko gebannt.

Nun wäre die Garde keine Schweizergarde, wenn sie bei allem Fortschritt nicht ihre mehr als 500 Jahre währende Tradition wahren würde: Optisch stehen die neuen Helme in ihrer frühbarocken Erscheinung dem Vorgängermodell aus dem 16. Jahrhundert in nichts nach. Der Morion weist noch immer die vorn und hinten spitz zulaufenden Krempe, die rote Pfauenfeder und die filigrane Prägung mit dem Wappen von Julius II. auf.

Spender können ihren Namen in die Unterseite der Krempe prägen lassen

Der Unterschied: In Handarbeit benötigte bisher ein Schmied für ein Exemplar aus Metall etwa 100 Arbeitsstunden. Bei der Schweizer Firma in Stans, die auf additive Fertigungsverfahren spezialisiert ist, purzelte in den vergangenen Monaten täglich eine Helmschale aus dem 3-D-Drucker.

Gerade kam die erste Lieferung an, 95 Stück, druckfrisch. Den Vatikan kosten die Helme keinen Cent, sie wurden finanziert von Sponsoren aus der Schweiz. "Wir benötigen allerdings noch mehr ", sagt Urs Breitenmoser, Wachtmeister der Schweizergarde. 2018 erhöhte Papst Franziskus die Garde von 110 auf 135 Mann.

Weitere Sponsoren zu finden, dürfte nicht schwer sein: Jeder Spender kann seinen Namen in die Unterseite der Krempe prägen lassen. Und der wird keinen Kratzer abbekommen. Fällt ein Helm in den Heiligen Hallen zu Boden, wird bestenfalls ein dumpfes Toc-toc zu hören sein.

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Quelle:
SZ vom 23.01.2019
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