Süddeutsche Zeitung

Rechtskolumne: Nebenkosten:Wie werden die Müllgebühren aufgeteilt?

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Der Nachbar wirft viel mehr Abfall in die Tonne. Muss er dann auch mehr bezahlen?

Von Eva Dignös

Klappe auf und weg damit! Fast 500 Kilogramm Abfall fallen in Deutschland pro Kopf und Jahr an. Das entspricht ungefähr dem Gewicht eines Konzertflügels. Oder eines kleinen Eisbären. Wobei natürlich weder der eine noch der andere in den Müll gehört. Dass ein Durchschnittswert mit der Realität ohnehin oft nur wenig zu tun hat, weiß jeder, der schon einmal vergeblich versucht hat, noch ein Beutelchen Restmüll in der überquellenden Tonne unterzubringen: Immer diese Saubären von nebenan; sie haben wieder drei große Säcke in den Container gestopft. Könnte man von ihnen nicht höhere Müllgebühren verlangen?

In Mehrfamilienhäusern teilen sich oft viele Parteien die Abfallbehälter. Der eine wirft mehr hinein, die andere weniger. Manchmal gibt es gute Gründe dafür, dass eine Zeit lang mehr Müll anfällt. Ein Baby und dessen Windeln zum Beispiel. Manchmal - und für alle, die sich um Abfallvermeidung bemühen, nur schwer auszuhalten - ist es aber auch schlichtweg Ignoranz, wenn sperrige Verpackungen oder eine halbe Kühlschrankfüllung an Lebensmittelresten weggeworfen werden. Dass für mehr Müll dann auch mehr Müllgebühr gezahlt werden muss, lässt sich in der Praxis aber in aller Regel nicht durchsetzen.

"Die Kosten für die Müllentsorgung werden als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt", sagt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund. Basis für die Berechnung ist meist die Wohnfläche, so ist es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgesehen, sofern Mieter und Vermieter nichts anderes vereinbaren: Je größer die Wohnung, umso mehr ist zu zahlen. Gerade bei der Müllentsorgung kann sich das ungerecht anfühlen. Ob nun ein Single oder eine fünfköpfige Familie in einer 120-Quadratmeter-Wohnung leben - die Müllkosten wären dieselben, auch wenn die Abfallmenge vermutlich höchst unterschiedlich ausfällt.

Andere Umlageverfahren sind möglich, beispielsweise nach der Anzahl der Wohnungsbewohner. Das muss im Mietvertrag vereinbart sein. Eine Berechnung nach Müllaufkommen ist theoretisch ebenfalls denkbar. Es wäre womöglich die gerechteste Variante: Jeder Mieter zahlt nur für das, was er tatsächlich wegwirft. "Dafür fehlen aber in der Regel die Erfassungssysteme", sagt Jutta Hartmann. Der Müll müsste gewogen werden, gerade in Mehrparteienhäusern lässt sich das kaum realisieren.

Und wenn man nun gar keinen Müll mehr hinterlässt, weil man für ein paar Wochen ins Ausland zieht? Auch dann wird man weiter zahlen müssen: In der Regel gilt eine Anschlusspflicht an die Hausmüllentsorgung, unabhängig davon, ob man Müll verursacht oder nicht.

Weiterreichen darf der Vermieter an seine Mieter nur die Kosten, die tatsächlich entstehen und vom Entsorgungsunternehmen der Kommune in Rechnung gestellt werden. Die regionalen Unterschiede sind enorm. Mehrere Hundert Euro im Jahr betrug im jüngsten "Müllgebührenranking", einer vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Auftrag des Eigentümerverbands Haus und Grund erstellten Vergleichsstudie, der Unterschied zwischen der günstigsten und der teuersten Gemeinde.

Der Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes ist deshalb nur bedingt eine Orientierungshilfe, wenn es darum geht zu überprüfen, ob die eigene Nebenkostenabrechnung angemessen ist. Der Verband ermittelt dafür jährlich die durchschnittlichen Betriebskosten in Deutschland. Auch eine weitaus höhere Rechnung kann aber laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtens sein. Er musste sich mit dem Fall eines Mieters in Heidelberg befassen, der sich unter Berufung auf den Betriebskostenspiegel geweigert hatte, darüber hinausgehende Nebenkosten für die Müllentsorgung zu zahlen, und seine Miete entsprechend kürzte. Das aber durfte er nicht, entschied das Gericht: Einer "überregional auf empirischer Basis" ermittelten Betriebskostenzusammenstellung komme angesichts der je nach Region und Kommune unterschiedlichen Kostenstruktur "keine Aussagekraft im Einzelfall zu" (Az. VIII ZR 340/10).

Aber immerhin: Eine Möglichkeit gibt es dann doch, die Kosten für die Müllentsorgung zu reduzieren - und die ist eigentlich ganz simpel. Wenn alle im Haus sich um Müllvermeidung bemühen und die anfallenden Abfälle besser trennen, dann bleiben bald vielleicht ein, zwei Tonnen leer. Und die muss der Hauseigentümer dann auch abbestellen: Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet ihn dazu, unnötige Lasten für seine Mieter zu vermeiden. Einen Versuch ist es wert. Vielleicht wohnen nebenan ja doch keine Saubären.

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