Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Geheime Botschaften

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Auf dem roten Teppich geht es um Oberflächlichkeiten - bei den Golden Globes wählten einige Schauspieler aber durchaus tiefsinnige Outfits.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Weiß auf Weiß

Hollywood-Preisverleihungen sind nicht für Lockerheit bekannt, weswegen Frauen, wollen sie ein Kleid mit Vulva-Optik tragen, dies sehr dezent erledigen müssen. So wie Gillian Anderson, die in einem solchen Outfit bei den gerade verliehenen Golden Globes in Los Angeles großartig aussah. Auf dem roten Teppich musste sie dann aber vorsichtshalber dazusagen, dass auf dem Kleid von Gabriela Hearst Vaginas zu sehen seien - weil man die Ton-in-Ton-Vulvastickereien sonst wohl als primitive Blumen ignoriert hätte.

Das ist lustig, weil dank Instagram-Verblödung die Vulva ja längst als Deko-Accessoire in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist (Hashtag: Vulva Cupcakes). Diverse Frauenzeitschriften sahen darin trotzdem ein feministisches Statement und wurschtelten sich einen Bezug zur in den USA gefährdeten weiblichen Selbstbestimmung und zu Andersons Rolle als Sex-Therapeutin im Netflix-Hit "Sex Education" zurecht. Aber die Schauspielerin redete lieber darüber, dass das Kleid "brand appropriate" sei - und schaffte es in einem brisanten Vulva-Dress-Interview mit Vogue auch, den Schlenker zu ihrer eigenen Marke G-Spot einzubauen. Nein, das ist kein Vibratoren-Start-up, sondern einfach eine Wellness-Drink-Brauerei, und die kennt jetzt jeder. Zuletzt sei angemerkt, dass jeder einzelnen Yoni auf dem Rock in einem New Yorker Atelier dreieinhalb Stunden Handarbeit gewidmet wurden. So viel Aufmerksamkeit bekommt ja wohl keine einzige echte Vagina auf der Welt, nicht mal beim Frauenarzt! Weswegen wir den PR-Stunt als frauenrechtliches Ausrufezeichen dann doch durchgehen lassen.

Für ihn: Weiß auf Schwarz

Auch wenn alle so tun, als ob: Auf einem roten Teppich fotografiert zu werden, ist für die meisten anständigen Menschen keine reine Freude, sondern eher eine Form der Kesseldruckimprägnierung. Ein Vorgang jedenfalls, bei dem das Opfer ziemlich alleine und etwas ratlos rumhampelt, um, so gut das eben geht, mit einer Blitzlicht-Meute zu interagieren. Gerade Akteure aus der zweiten Reihe haben dabei vielleicht noch keine Routine und auch eine gewisse Scheu, ihnen bleibt entweder eiliges Ertragen, oder aber sie haben sich was ausgedacht. Letzteres gilt für Schauspieler Khalid Abdalla ("The Crown"), der neulich auch schon mal seine Hände mit aufgekritzelten Friedensbotschaften in die Kameras gehalten hat, was ein wenig wirkte, als wäre er mit einem Spickzettel auf der Handfläche erwischt worden.

Jetzt bei den Golden Globes war seine Botschaft stilvoller ins Outfit eingebunden - die Friedenstaube platzierte er an der Stelle, an der Präsidentengattinnen eine Granatbrosche zu tragen pflegen. Nun ist die Friedenstaube ein sehr feines Symbol und ihr Comeback sicher höchst angebracht. In dieser Form ist sie allerdings leicht als beliebiger Zierrat zu übersehen. Deswegen muss Abdalla zusätzlich und ernst mit dem Zeigefinger hindeuten, eine Geste, die dem Tatbestand der Tragikomik schon etwas nahekommt: Stumm mahnt er auf dem Weg zur Gala. Und die weiße Armbinde? Ist das ein Designer-Detail des schönen Abendanzugs? Oder Abzeichen von Abdallas Neutralität, Kriege betreffend? Will er signalisieren, dass er unbewaffneter Zivilist ist? Oder Sanitäter? Bitte aufklären.

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