Süddeutsche Zeitung

Kurz gesichtet:Rettungspaket

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Was in diesen Zeiten hilft? Dicke Sohlen fürs aktuell extra-harte Pflaster der Welt, ein kunterbuntes Bilderbuch, das an Wes Anderson-Filme erinnert, und ein EU-blauer Tisch für etwas mehr Zusammenhalt.

Von Julia Rothhaas, Max Scharnigg und Silke Wichert

Höher, dicker, klobiger - Vagabond-Schuhe waren der Traum vieler Teenager in den Neunzigerjahren und gleichsam ein orthopädischer Alptraum für deren Eltern. Denn die schwedische Schuhmarke setzte damals auf etwas fundamental Unerhörtes: Unisex-Schuhe. Die Boots mit dicker Sohle aus der Männerkollektion fanden sich plötzlich genauso wuchtig an den Füßen der Damen wieder. Heute ist das natürlich Schnee von gestern, jeder schlüpft in das Schuhwerk, auf das er oder sie gerade Lust hat, und im Zuge des anhaltenden Neunziger-Revivals in der Mode sind das eben wieder vermehrt Vagabond-Boots. Neu ist die "Atelier"-Kollektion, die Archiv-Entwürfe neu interpretiert, und die sehr viel hochwertiger gearbeitet ist als die gängigen Modelle. Vor allem der klassisch-robuste Stiefel "Carmen" ist bereits ein Bestseller, schließlich ist die Welt da draußen gerade ein extra-hartes Pflaster. Wer übrigens noch alte Modelle der Marke zu Hause herumstehen hat, kann sie mittlerweile zum kreislaufgerechten Recycling im Berliner Geschäft oder in einem Görtz-Schuhladen abgeben (vagabond.com).

Was das Hotel Belvédère am Schweizer Furka-Pass mit dem quietschgelben Leuchtturm im Ort Húsavík in Island verbindet? Und das Teatro Faenza im kolumbianischen Bogotá mit dem Blankeneser Segelclub zu tun hat? Sie alle könnten locker als Kulisse in einem Wes-Anderson-Film auftauchen. Die besondere und unverkennbare Ästhetik des US-Regisseurs (immer etwas nostalgisch, perfekt symmetrisch und durchkomponiert, sehr bunt oder pastellfarben) in Filmen wie "Die Royal Tenenbaums" oder "Grand Budapest Hotel" hat viele Fans - so viele, dass seit 2017 professionelle wie Hobby-Fotografen die Orte und Gebäude auf Instagram stellen, die an eben diese Filme erinnern. Aus dem Hashtag und den vielen Fotos ist nun ein Buch geworden unter dem gleichnamigen Titel Accidentally Wes Anderson, das nun auch bei Dumont erschienen ist. Flankiert werden die 200 Bilder aus aller Welt durch Geschichten zu den jeweils abgebildeten Plätzen und Menschen hinter den Fassaden. Und die Krönung des Ganzen: Wes Anderson persönlich hat das Vorwort geschrieben! (28 Euro, dumont-buchverlag.de)

Fast 40 Jahre lang war Nils Holger Moormann mit seiner Möbelfirma im oberbayerischen Aschau eine feste Größe der Designbranche - schlichte Regale wie das FNP oder das Bett "Siebenschläfer" sind in dieser Zeit moderne Klassiker geworden, die immer auch etwas vom exzentrischen Witz des Herrn Moormann transportierten. Nun hat der Patriarch die Firma in jüngere Hände übergeben - die Geschwister Kristina Münnix und Christian Knorst haben 100 Prozent der Geschäftsanteile übernommen, Nils Holger Moormann und seine Frau Silke werden nach einer Übergangsfrist in den Beirat des Unternehmens wechseln. Sortiment, Fertigung und auch die Design-Pension "berge" bleiben laut einer Pressemittelung bis auf Weiteres unverändert erhalten.

Politische Statements von Möbeldesignern sind eher selten. Aber besondere Zeiten verlangen nach besonderen Aktionen, dachte sich das hippe Berliner Label New Tendency. Als Kollaboration mit dem französischen Kreativkollektiv Études und als deutsch-französische Freundschaftsgeste stanzte es deshalb seinem ikonischen Stahl-Beistelltisch "Meta Side Table" die Sterne der Europafahne ein. Das Ergebnis ist seit dieser Woche erhältlich und soll als Bekenntnis zur Europäischen Gemeinschaft verstanden werden, in Zeiten, in denen nationale Grenzen wieder überall spürbar sind. Der gefeierte junge Filmemacher Jonas Lindstroem steuerte Visuals zu den Solidaritätstischen bei, in denen die Hauptstädte der EU gewürdigt und als Teil einer großen Idee dargestellt werden. Offenbar brauchen manche ja eine Erinnerung, worum es dabei geht. Und die europäischen Behörden vielleicht ein paar neue Beistelltische mit integrierter Botschaft? (newtendency.com)

Ob Duschgel mit Verbene-Duft, ein nach Lavendel riechendes Schaumbad oder Körpercreme mit Mandelöl, die französische Firma L'Occitane bietet diese Dauerbrenner längst im Nachfüllpack an. Seit Juni 2019 gibt es zudem drei Auffüllstationen in firmeneigenen Geschäften, eine davon befindet sich in Freiburg. Nach der Testphase, die von den Kunden gut angenommen wurde, will das Unternehmen aus der Provence nun auf dreißig solcher Creme- und Gel-Tankstellen aufstocken (wo genau diese Stationen dann zum Einsatz kommen werden, steht bislang noch nicht fest). Dabei können Verbraucher nicht nur ihren Müll reduzieren, sondern auch Geld sparen. Denn laut L'Occitane kostet der Refill gleich mal 25 Prozent weniger als die Originalflasche aus Aluminium. Bei dem Appell an die Verantwortlichkeit der Verbraucher soll es jedoch nicht bleiben: Die Kosmetikfirma arbeitet zudem kontinuierlich daran, ebenfalls weniger Müll in ihrer Produktion zu verursachen. Eine L'Occitane-Plastikflasche besteht inzwischen aus 35 Prozent recyceltem Kunststoff. Im Jahr 2025 möchte man bei einer hundertprozentigen Quote liegen (de.loccitane.com).

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