Süddeutsche Zeitung

Stilkritik zu Justin Biebers Mode:Camel oder Champagner sagen, aber Beige meinen

Das als Rentner-Tarnfarbe verschriene Beige ist bei Justin Bieber angekommen: Als dominierende Farbe seines neuen Modelabels.

Stilkritik von Friederike Zoe Grasshoff

Müsste man die lethargischste Farbe dieser an lethargischen Farben nicht gerade armen Welt benennen, es wäre Beige. Muss man aber nicht. Meint man heute Beige (und denkt an Tüten-Sahnesauce oder die Funktionshosen-Akkumulation auf der Kölner Domplatte), kann man sehr einfach ausweichen und Creme oder Champagner sagen.

Und es geht noch gewiefter: Eierschalen, Sand, Teakholz, Vanille, Nude. Meint alles Beige, klingt nur besser. Wer etwas verkaufen will, bedient sich besonders gern des anthroposophischen Farbenspektrums. Es ist nicht bekannt, ob Justin Bieber Rudolf Steiner liest oder die Westen seines Großvaters aufträgt; bekannt ist aber, dass er neuerdings beige Klamotten verkauft. Wem Beige ein Begriff ist, nicht aber Bieber: Das ist ein "Teenie-Star" aus Kanada, der schon lang kein Teenie mehr ist und von dem man nie weiß, wofür er jetzt gerade wieder bekannt ist.

Nun ist das als Rentner-Tarnfarbe verschriene Beige bei ihm angekommen, beziehungsweise: wurde gewaltsam eingenommen von der Generation Instagram. Auch hier keine Rede von Beige, alles "Camel". Zwar sehen die Leute in der Werbung aus, als müssten sie in ihren Gefängnis-Outfits gleich Pakete ausliefern gehen, aber hey, sie tragen Camel; jene missmutige Stiefschwester des guten, alten und stabilen Beige.

Vielleicht wird's in der Sommerkollektion ja fröhlicher, Grün soll auch eine prima Tarnfarbe sein, so wie Moos, Tanne, Schlamm. Die Models könnten sich auf eine Wiese legen, ganz geerdet im 130-Dollar-Pulli. Dann würde man auch die Kleidung nicht mehr sehen.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2019
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