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Furoshiki-Tücher aus Japan:Tuch statt Tüte

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Mit einem Ratsch ist die ganze Mühe dahin: Unter dem Weihnachtsbaum haben Geschenkverpackungen eine kurze Lebensdauer. Anders ist es in Japan.

Von Caro Lobig

Mit großer Sorgfalt und viel Liebe machen wir uns jedes Jahr vor Weihnachten ganz gewissenhaft an die Arbeit: Wir wählen zwischen rotem und mit Schneemännern verziertem Papier, goldenen Bändern und Stern-Stickern. Nur um dann am Abend des 24. Dezember zu der bitteren Erkenntnis zu kommen: Unter dem Weihnachtsbaum zählt nicht die Verpackung, sondern das, was drin steckt. Der Beschenkte reißt das aufwändig verpackte Präsent gierig auf - und hat keinen Blick für die glitzernden Schneemänner.

Die Japaner bewahren sich vor dieser Enttäuschung - und verpacken gleich alles in einem Stoff, den man so leicht nicht zerreißen kann: Baumwolle. Furoshiki heißt das quadratische Tuch, mit dem sie buntes Papier ersetzen. Mittlerweile werden Furoshiki auch in Deutschland verkauft - in verschiedenen Farben, mit Motiven und teilweise Aufschriften.

Doppeltes Glück für Furoshiki-Beschenkte

Wer sich ein Furoshiki zulegt und es sinngemäß nutzen will, muss sich zunächst in die hohe Kunst der Knotentechnik einarbeiten. Geschenke mit Papier zu verpacken ist dagegen ein Klacks. Im Internet gibt es etliche Video-Anleitungen zu den sogenannten Knoten-Wraps. Das Ergebnis der Furoshiki-Kunst sind Bündel, Rucksäcke, Flaschentaschen oder eben auch Verpackungen für Weihnachtsgeschenke. Am heiligen Abend hat der Beschenkte gleich doppeltes Glück, denn das Furoshiki ist Teil des Präsents und kann vielseitig wiederverwendet werden. Wie das?

Die Japaner würden sagen: Weiterknoten, natürlich! In Japan knoten die Menschen bereits wie die Weltmeister. Furoshiki erinnern an die japanische Papierfaltkunst Origami - genauso bunt, genauso kreativ, genauso aufwändig.

Furoshiki statt Plastik und Papier

Der Unterschied ist: Für die Japaner sind Furoshiki nicht nur ein Hobby, die Baumwolltücher ersetzen im Alltag Geschenkpapier, aber auch Tüten, Tischdecken, Servietten, ja sogar Imbiss-Schachteln werden damit verpackt. Das sieht nicht nur schöner aus, sondern ist auch wesentlich umweltfreundlicher als Plastikverpackungen.

Der Umweltgedanke war auch einer der Gründe, warum die traditionellen Tücher nach der letzten Jahrtausendwende wieder auflebten. 2001 wurde die Umweltbehörde in Japan zum Umweltministerium aufgewertet. 2008 erklärte das Ministerium, die Verwendung von Plastikbeuteln drastisch verringern zu wollen. Die damalige Umweltministerin Yuriko Koike ging mit gutem Beispiel voran: Sie gestaltete selbst ein Furoshiki als Beitrag zum Umweltschutz.

Auch wenn das EU-Parlament aktuell über ein Verbot von Plastiktüten debattiert, sehen die Deutschen das Problem eher gelassen. Jeder Bundesbürger verbraucht jährlich im Durchschnitt 65 dieser Einweg-Tüten, von der jede nach etwa 25 Minuten im Müll landet.

Typisch deutsch: Alles muss schnell gehen. Die meisten haben noch nicht mal Zeit, ihre Schnürsenkel zu knoten und steigen daher auf Schuhe um, die man nicht binden muss. Da werden sich die wenigsten die Mühe machen und ihre Feierabend-Einkäufe aufwändig in ein Tuch schlagen. Furoshiki haben hier im Alltag keine Chance.

Gegen den Klimawandel Tücher knoten

Aber welchen Designer interessiert schon der Alltag? Vivienne Westwood entwarf erst kürzlich zwei Statement-Furoshiki, die es seit Montag auch in Deutschland zu kaufen gibt. Die Stücke sind Teil ihrer Initiative " Climate Revolution". Sie wolle damit die Weltordnung ändern und das Überleben der Menschheit sichern, schreibt sie vollmundig in ihrem Blog.

Auf den von ihr entworfenen senf- und rosa-weißen Tüchern aus Bio-Baumwolle stehen dann auch Botschaften wie "Climate Revolution" und "The Face of War". Online sind die Furoshiki der 72-Jährigen schon ausverkauft. Ob dahinter echtes Umweltinteresse steckt oder der schlichte Wunsch, ein von der Designerin signiertes Tuch zu besitzen, sei dahingestellt. Sollten die Westwood-Fans damit aber einen Trend begründen und noch mehr Fashionista zum Furoshiki statt zur Plastiktüte greifen, ist die britische Designerin ihrem Ziel zumindest einen Schritt näher.

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