Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Eigener Herd":Die Palme für die Suppe

Lesezeit: 3 min

Schwarzkohl? Nie gehört? Schade. Das Wintergemüse sieht aus wie eine Palme, erinnert an Wirsing und gehört zu jeder toskanischen Ribollita. Und die schmeckt auch hierzulande gut.

Von Julia Rothhaas

"Ma che cavolo?", also "Was soll der Scheiß?", hört man in Italien, wenn das andere, deutlich ordinärere C-Wort vermieden werden soll. Da kann Deutschland mit seinen ähnlich gemüsigen, aber deutlich harmloseren Schimpfwörtern wie Gurkentruppe und Rübennase einpacken. Der Cavolo, der Kohl - oder vielmehr: der Cavolo Nero - begegnet einem in Italien während der Wintermonate aber auch fern jeden Ärgers, nämlich im Suppentopf.

Schwarzkohl gilt als klassisches Wintergemüse und ist gewiss in jeder Ribollita zu finden. Das Geheimnis dieser Gemüsesuppe, Klassiker der toskanischen Küche: Je öfter sie aufgekocht (ribollire für wieder aufkochen) wird, desto besser. Die Zutaten sind wenig geheimnisvoll, sondern vielmehr Basics der cucina povera, der einfachen Küche: Zwiebeln und Karotten, Wirsing und Kartoffeln - und eben der Cavolo Nero. Der wird nicht nur Schwarzkohl genannt - wegen seiner dunkelgrünen, fast schwarzen Blätter, die mit ihrer gekräuselten Struktur an Wirsing erinnern, sondern auch Palmkohl. Schließlich sieht er aus wie eine kleine Palme mit seinen leicht eingerollten Blättern am Strunk. So eine Gemüse-Palme macht sich gut in jedem winterlichen Garten, allerdings nicht unbedingt in unserem: Der Schwarzkohl hat es mit Minustemperaturen nicht so - im Gegensatz zu Grün- oder Rosenkohl, Sorten, die den Frost ja gern mögen für noch mehr Geschmack.

Junge Schwarzkohltriebe gelten als Delikatesse, weil sie so zart sind, dass man sie roh in den Salat geben kann oder in den Smoothie, weil klar: Superfood! Der Schwarzkohl eignet sich aber auch für Pestos, als Beilage zur Polenta, zum Einwickeln, wie man es sonst von griechischen Weinblätter kennt, oder als knusprige Gemüsechips aus dem Backofen (mit Salz, Pfeffer, Chili-Pulver und etwas Olivenöl gewürzt). Auf jeden Fall aber gehört der Schwarzkohl zur Ribollita wie das tägliche "che cavolo" auf Italiens Straßen.

Die Foodjournalistin und Kochbuchautorin Emiko Davies, die 2005 aus Australien nach Italien kam und sich dort klassischerweise in einen toskanischen Sommelier verliebte, bereitet die Ribollita für vier Personen in ihrem Kochbuch "Florenz" (Dorling Kindersley) folgendermaßen zu, (wobei sich ihr Rezeptklassiker von dem traditioneller italienischer Köche nicht wirklich unterscheidet): Zunächst kocht sie 250 Gramm Cannellini-Bohnen und püriert die Hälfte dieser Bohnen mit etwa 125 ml des Kochwassers zu einer glatten Masse. In einem großen Topf wird schließlich eine kleine Zwiebel, eine Knoblauchzehe, eine halbe Stange Staudensellerie, 5-6 Stängel glatte Petersilie und 30 g Pancetta (oder durchwachsener Speck) - alles fein gehackt und gewürfelt - bei schwacher Hitze für 10 Minuten angeschwitzt. Wenn die Zwiebelstückchen glasig sind, gibt man 1 EL Tomatenmark hinzu und erhitzt alles für 2 Minuten. Hinzu kommen dann gehackter Wirsing, Mangold, Schwarzkohl (jeweils etwa 125 g) und eine gewürfelte Kartoffel, alles mit 1 l Wasser aufgießen und mit Salz und Pfeffer würzen. Anschließend die pürierten und ganzen Bohnen dazugeben und die Suppe ohne Deckel etwa 30 Minuten köcheln lassen, bis das Gemüse gar ist.

Am Ende den Topf vom Herd nehmen und noch 125 g Brotwürfel (die Orthodoxie rät zu altbackenem, salzlosem Weißbrot, es geht aber auch anderes) hinzufügen. Bei geschlossenem Deckel mindestens 20 Minuten ruhen lassen. Damit sich das aufgeweichte Brot besser verteilt, einmal durchrühren, damit die Ribollita dickflüssig ist wie ein Brei. Gern vorsichtig erwärmen, wieder und wieder, und mit einem Spritzer gutem Olivenöl servieren. Am besten Öl aus der neuen Ernte, das derzeit frisch in den Regalen eintrifft.

Der Schwarzkohl passt zur Suppe und Pasta

Der Schwarzkohl kann aber auch Pasta: Dafür mit Knoblauch und Zwiebeln andünsten, mit Weißwein und Brühe löschen und Kartoffeln, Karotten, Canellini-Bohnen und Tomaten hinzugeben, außerdem reichlich Petersilie, Salbei, etwas Pecorino und geröstete Pinienkerne sowie ein paar fein geschnittene Stücke einer unbehandelten Zitrone. Dazu gibt es dicke Nudeln und gewiss ein lautes "Köstlich!" am Esstisch.

Der Schwarzkohl mag hierzulande vielleicht noch nicht in jeder Küche gelandet sein, das sollte man in diesem trostlosen Winter aber unbedingt nachholen. Ein bisschen vielseitiger ist da nur noch sein Bruder, der Brassica oleracea longata. Der Kohl mit seinem bis zu drei Meter hohen Stamm wurde auf der Insel Jersey lange als Spazierstock genutzt, nachdem er getrocknet, geschliffen und lackiert wurde. Che cavolo!

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