Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Oben was Neues

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Der Sommer wird heiß, Schatten ist wertvoll. Besonders auffällig sind die neuen Kopfbedeckungen bei Alaïa und Dior.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Einfach elegant

In zwei Situationen trugen Frauen bisher dramatische Kapuzen: wenn sie sich in einem Mittelalter-Film durch dunkle Gassen schlagen mussten, um beim Überbringen einer unerhörten Nachricht nicht erwischt und sogleich in einem Rattenloch angekettet zu werden. Und: als elegantestes Bond-Girl aller Zeiten - Grace Jones als May Day in "Im Angesicht des Todes".

Ja, in diesem Meisterwerk trug sie von Kopf bis Fuß Alaïa, genauer, violette Seidenkapuze unter einer breitschultrigen Lederbomberjacke. Nie wieder hat ein Bond-Girl so gut ausgesehen! Warum also war die Kapuze so lange keine weibliche Option? Und nein, der pandemische Hoodie gilt nicht. Denn die Geste des Kapuzehochziehens, wenn sie aus etwas anderem gefertigt ist als aus resigniertem Baumwolljersey, ist ja purer Nervenkitzel: Entweder ist ab jetzt ohrenbetäubende Funkstille, oder die Frau macht sich männerjonglierend auf ihren Weg. Auf den Laufstegen war die May-Day-Kapuze bei den Sommerkollektionen überall zu sehen, als seidige Abendkleidverlängerung bei Alberta Ferretti und bei Saint Laurent. Und natürlich beim Label des Meisters höchstselbst, Alaïa.

Sein Nachfolger liefert uns den Trend sogar alltagstauglich, als weißen Blusenbody: ein besonders vielseitiges Kleidungsstück, mit dem man in einem Moment - Kapuze unten - einfach nur eine harmlose Geldabheberin, im nächsten - Kapuze hoch - schon die Auslöserin eines Bank Runs sein kann, obwohl vielleicht nur Bad Hair Day ist. Ein Trend, der rationale Stärke verlangt, also der weiblichste überhaupt.

Für ihn: Doppelt hält besser

Immer wieder mal kommt ein Mann in seiner modischen Biografie beim Thema Hut vorbei. In seinen jungen Jahren vielleicht mit dem Wunsch, sich ein etwas männlicheres Profil zu verleihen. Dann wieder anlässlich einer Reise in südliche Gefilde und später schließlich angesichts der kritischen Gewissheit, dass die Haare so wenige geworden sind, dass man sich ein neues Konzept für obenrum überlegen muss.

Die meisten Männer stellen bei diesen heimlichen Hutbetrachtungen fest, dass ihnen dafür eigentlich Vokabular, Wissen und Gebrauchsanleitung fehlen, weil das schöne Thema Hut nun mal in den letzten sechzig Jahren zum skurrilen Accessoire und zur Exzentriker-Ausstattung verkommen ist. Dabei mühte sich die Mode zuletzt redlich, die gute Kopfbedeckung wieder straßentauglich zu machen und hat mit Pharrell Williams ja auch einen engagierten Hutbotschafter auf ihrer Seite.

Waren in den letzten Jahren eher leicht anzuwendende Modelle wie der kurzkrempige Bucket Hat oder der Trilby vermittelbar, geht es jetzt auch wieder um breite Krempen, so wie hier bei der Dior-Sommershow, wo die Jungs nahezu alle gut behütet auf den Laufsteg kamen. Das sieht nicht nur wunderbar aus, sondern ist auch ein verantwortungsvolles Signal - wenn die Sommer heißer und länger werden, ist breite Kopfverschattung unumgänglich.

Der Dior-Gag, zusätzlich eine Baseball-Cap unter dem Hut zu tragen, ist einerseits natürlich galoppierender Dödelism, aber andererseits vielleicht auch genial: Die Caps fungieren als vertraute Vermittler für alle, die sich noch nicht recht an das pure Huttragen trauen. Man muss die Berührungsängste der Männer ernst nehmen.

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