Süddeutsche Zeitung

Zukunft von Klitschko:Wie Vitali Wladimir aus der Krise holen will

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Von Saskia Aleythe, Düsseldorf

Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Vitali Klitschko hatte das sofort erkannt, also verschaffte er sich Platz auf dem Pressepodium, gerade noch stand er links daneben, dann musste Manager Bernd Bönte weichen - und Klitschko legte los. Bruder Wladimir hatte gerade seine drei Titel gegen Tyson Fury verloren, war bei der Analyse aber wortkarg. Also sagte Vitali in bestem Klitschko-Deutsch: "Guten Abend, wissen Sie was? Show geht weiter."

Vitali Klitschko hat mit dem Boxen nicht mehr so viel am Hut, seit er als Bürgermeister von Kiew politisch aktiv ist - bei Kämpfen seines Bruders Wladimir ist er trotzdem immer dabei. Und an diesem Samstagabend in Düsseldorf ist er gefordert, es ist die Zukunft von Wladimir, um die es hier geht. Ob seine große Karriere nach der Niederlage gegen Tyson Fury nun zu Ende geht? "Es ist zu früh, um das zu sagen", sagt Wladimir kurz nach dem Kampf. Zweifel klingen durch, da springt Vitali ein: Natürlich macht sein Bruder weiter. Keine Widerrede. "Er wird stärker zurückkommen als je zuvor."

Es ist ein Szenario, das an die Jahre 2003 und 2004 erinnert: Damals erlebte Wladimir seine schmerzlichsten Niederlagen. Gegen Corrie Sanders ging er in der zweiten Runde K.o., gegen Lamon Brewster in der fünften. Der Ruf des Glaskinns war geboren, Wladimir zweifelte an sich und der Boxwelt. Auch damals stand Vitali parat: Mit harter Kritik und als Motivator. Dass das ein weiteres Mal klappen könnte, daran zweifelt er nicht. Die Klitschkos prägten das Schwergewicht länger als ein ganzes Jahrzehnt, sie waren die Dominatoren im Ring. Eine Ära, die so nicht zu Ende gehen soll. Fury hatte einen guten Abend gegen einen schlechten Klitschko erwischt - viel Boxen war das nicht.

Wladimir nun schon 39 Jahre alt und die ernüchterndste Erkenntnis aus dieser verlorenen Punktentscheidung gegen Fury ist wohl die, dass der Ukrainer gegen die flinken Drehungen und Wendungen seines Gegners kein Gegenmittel fand. Klitschko war austrainierter als je zuvor, sein Trainer Jonathan Banks bescheinigte ihm eine Fitness, die besser sei als vor zehn Jahren. Gegen Fury nützte das nichts.

Vier weitere Kämpfe sieht der Fernsehvertrag vor

Klitschko hatte vor dieser unerwarteten Niederlage noch ein großes Ziel: Sich den letzten, noch fehlenden Titel im Schwergewicht zu schnappen. Den Gürtel der WBC hatte Vitali zuletzt erobert, bevor er in die Politik verschwand. Einen Kampf gegen Deontay Wilder, dem jetzigen Titelträger, hatte Klitschkos Management schon angefragt, bisher aber immer Absagen kassiert. Nun ist das nächste große Ziel ein anderes: Der Rückkampf gegen Fury. Eine entsprechende Klausel war im Vertrag enthalten, den die beiden vor dem Kampf austüftelten. Ohnehin muss er noch vier weitere Kämpfe bestreiten, das sieht eine Vereinbarung mit RTL vor.

Als Vitali seine Analyse beendet hatte, warum sein Bruder dieses Mal als Verlierer aus dem Ring getreten war (keine Technik, keine Kondition), war Wladimir zwar nicht unbedingt fröhlicher gestimmt - aber die Abschiedsstimmung vom Boxen war ein wenig gewichen. "Der Kämpfer ist noch in mir", berichtete er. Details zum Fortgang seiner Karriere würde es zu einem späteren Zeitpunkt geben. Wie die nächsten Tage ausschauen, wurde er noch gefragt. "Die werden besser aussehen", antwortete Wladimir Klitschko. Er freue sich auf Weihnachten, den ersten Geburtstag seiner Tochter und die Zeit mit seiner Familie. Durchschnaufen als ersten Schritt zum Comeback.

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